Unsere Argumente gegen die vorliegende StUB-Trassenplanung

In Erlangen wurde 2019 der Klimanotstand ausgerufen, um Antworten auf die Klimakrise zu finden. Diese ist, laut der zugehörigen wissenschaftlichen Studie, als gesamtökologische Krise zu verstehen. Die jetzt geplante StUB-Trasse sowie die planerischen Hintergründe widersprechen vielen Aussagen und Lösungsvorschlägen dieser Studie. Damit hat Erlangen mit der jetzt geplanten StUB-Trasse ein Glaubwürdigkeitsproblem.

ÖKOLOGIE und LEBENSQUALITÄT:

  • Natur: Die StUB wird auf Kosten des Natur- und Artenschutzes gebaut. Die jetzt vorgesehene Trasse verläuft durch sechs Landschaftsschutzgebiete und viele Biotope. Dadurch zerstört sie naturnahe Lebensräume von Tieren und Pflanzen sowie Orte der Naturerfahrung für uns Menschen.

  • Aufenthaltsqualität und Erholungsraum: Durch die Trassenführung über stadtnahe Grünflächen, städtische Plätze, durch Gärten, Hecken und Straßenbegleitgrün gehen an vielen Stellen innerstädtische Aufenthaltsqualität und Erholungsraum verloren.

  • Klima: Die geplanten Betonbauten entlang der jetzt beschlossenen Trassenführung stellen den Klimanutzen des Projekts gänzlich in Frage. Vorgesehen sind unter anderem der Bau drei neuer Autobahnquerungen, einer tunnelartigen Unterführung im Bereich der ICE-Trasse sowie die neue 1,5 km lange Talbrücke über das Regnitztal. Auch die Waldrodungen entlang der Strecke schaden dem Klima.

  • Regionale Landwirtschaft: Die Trassenführung zerschneidet zahlreiche Ackerflächen. Zudem erhöht sie den Siedlungsdruck auf bisher landwirtschaftlich genutzte Gebiete. Damit schwächt sie die regionale Landwirtschaft. Im Wiesengrund gefährdet der Trassenbau eine Kulturlandschaft mit schonender Bewirtschaftung.

  • Wachstum auf Kosten der Natur: Die StUB-Planungen werden dominiert von Wachstumsprognosen: weiter zunehmender Autoverkehr, zusätzlich schnellere Schienenverbindungen, Erschließung neuer Siedlungsräume, mehr Flugverkehr, mehr Konsum. Wachstum jedoch verschärft die ökologischen Probleme.

  • Ressourceneffizienz: Artensterben und Klimakrise bedrohen unsere Lebensgrundlagen. Die Appelle der Wissenschaft werden immer eindringlicher: Die beiden Probleme sollen schnellstmöglich und gleichzeitig angegangen werden. Dabei soll Ressourceneffizienz (schonender Umgang mit Energie, Material und Fläche) als Grundprinzip dienen. Diesem widerspricht die jetzt geplante Trasse auf eindrückliche Weise.

VERKEHRSWENDE:

  • Straße: Für die Verkehrswende ist der bisher größtenteils von privaten PKW genutzte vorhandene Straßenraum neu aufzuteilen zugunsten der Fußgänger, Radfahrer und des ÖPNV. Auf den Straßen eingesetzte Massentransportmittel (Busse oder Straßenbahnen) können sowohl Energie als auch Platz sparen und damit sowohl dem Klima als auch der Natur nutzen. Gleichzeitig entstehen positive Effekte für die Lebensqualität in der Stadt. Die StUB jedoch wird überwiegend (rund 70% der Strecke) nicht auf der Straße gebaut. Der Straßenraum bleibt gezielt verschont. Wenn die StUB aber ein Verkehrswende- oder Umweltprojekt sein soll, dann muss sie auf die Straße.

  • Erschließung: Die Klimakrise macht es erforderlich, dass möglichst viele Bürger auf den ÖPNV umsteigen. Um ihnen das zu erleichtern, ist eine gute Erschließungswirkung neuer ÖPNV-Angebote von hoher Bedeutung. Mit der Trassenvariante über den Büchenbacher Damm würden in Erlangen rund 10.000 Bürger mehr an die StUB angebunden und damit fast doppelt (!) so viele, wie mit der jetzt geplanten Trasse durch den Wiesengrund. Somit ist die Erschließungswirkung für Erlangen mit der jetzt geplanten Trasse unverhältnismäßig schlecht.

  • Straßenbahnnetz: Langfristig wären Richtung Stadtwesten zwei Straßenbahnlinien über die beiden Bestandsdämme sinnvoll. Die jetzt geplante Einzeltrasse durch deren Mitte wird eine Straßenbahn auf den bestehenden Brücken auf unbestimmte Zeit vereiteln. Damit verhindert die jetzt geplante Trasse einen sinnvollen späteren Ausbau zu einem Straßenbahnnetz in Erlangen.

  • Verkehrswachstum: Vorrangiges Ziel der aktuellen Planungen ist nicht, den vorhandenen Autoverkehr auf die Schiene zu verlagern, sondern mehr Verkehr zu ermöglichen. Zudem setzen die jetzigen Planungen sehr einseitig auf Fahrzeitgewinne. Ziel sind also neue schnellere Verbindungen und insgesamt mehr Verkehr. Dies wird die Mobilitätsbedürfnisse jedoch weiter steigen lassen (z.B. neue und längere Pendlerstrecken hervorrufen) und damit zu neuen Abhängigkeiten führen anstatt zu einem ökologischen Umbau. Für neuen Verkehr und kürzere Fahrzeiten bekommt die StUB eine größtenteils eigene Trasse neben oder abseits der Straße und nimmt Abkürzungen (z.B. über den Wiesengrund). Dies kostet Raum für Natur und Lebensqualität.

  • Klimafreundliche Mobilität: Die StUB-Trasse gefährdet an einigen Stellen die Attraktivität des besonders klimafreundlichen Fuß- und Radverkehrs (z.B. im Wiesengrund).

  • Quartiersentwicklung: Im Bereich der Südkreuzung weicht die StUB (sie darf hier nicht auf der B4 fahren) in ein Wohngebiet aus (Friedrich-Bauer-Straße), welches durch den Straßenverkehr auf der B4 schon erheblich vorbelastet ist. Quartiere neben großen Straßen durch eine neue Verkehrsachse noch mehr zu belasten und zu zerschneiden, macht sie nicht attraktiver.

SOZIALPOLITIK:

  • Sozialer Effekt: Der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs hat immer auch einen sozialen Effekt, da er für alle nutzbar ist und nicht nur für tendenziell wohlhabendere PKW-Besitzer. Durch die schlechte Erschließungswirkung der geplanten StUB-Trasse kommt auch der soziale Effekt in Erlangen wenig zur Geltung.

  • Soziale Gerechtigkeit: Mit einer Trassenführung über den Büchenbacher Damm würden einwohnerstarke und zu großen Teilen sozial benachteiligte Stadtteile (in Bruck und Büchenbach) angebunden. Die jetzt geplante Trasse über den Wiesengrund nutzt vor allem den (häufig gut verdienenden) Pendlern zu großen Arbeitgebern in Herzogenaurach. Damit ist die Trassenführung sozial unausgewogen.

  • Gerechtigkeitskrise: Die globale ökologische Krise ist auch eine Gerechtigkeitskrise: Mit der Zunahme der ökologischen Probleme werden auch die sozialen Unterschiede weiter wachsen. Wohlhabende werden sich z.B. eher ein E-Auto leisten können als sozial Benachteiligte. Wir halten die aktuelle Trassenplanung wegen ihrer mangelhaften und zudem sozial unausgewogenen Erschließungswirkung verbunden mit einer erwartbaren Verschärfung sozialer Probleme durch die Klimakrise für sozialpolitisch wenig vorausschauend.

STANDARDISIERTE BEWERTUNG:

  • Kritisierte Wirtschaftlichkeitsprüfung: Das Standardisierte Bewertungsverfahren wird seit Jahrzehnten wegen Intransparenz, unzureichender Berücksichtigung von Umweltkriterien sowie einseitiger Fokussierung auf Fahrzeitgewinne und Vernachlässigung der Erschließungswirkung und sozialer Belange kritisiert. Die nach dem Ergebnis der Standardisierten Bewertung einzig förderfähige StUB-Trasse in Erlangen ist ein Paradebeispiel für all jene Unzulänglichkeiten dieses Verfahrens.

  • CO2-Einsparung: Die Angaben zum Klimanutzen der StUB (CO2-Ersparnis) stammen aus der Standardisierten Bewertung. Die zugrundeliegenden Berechnungen basieren auf unsicheren Zukunftsannahmen sowie auf Prognosen ungebremsten Verkehrswachstums mit ökologisch katastrophalen Folgen. Sie sind entsprechend zweifelhaft. Gleichzeitig werden die prinzipiell leichter abschätzbaren Emissionen des Trassenbaus nicht ausreichend berücksichtigt. Diese Kombination lässt keine objektiven Aussagen zum Klimanutzen des Projektes zu. Die großen Betonbauten entlang der Trasse und das durch die neue Verkehrsachse unterstützte Verkehrs-, Siedlungs- und Wirtschaftswachstum machen es fast sicher, dass die StUB mit der jetzt geplanten Streckenführung dem Klima für mindestens 20-30 Jahre, wahrscheinlich sogar in ihrer Gesamtbilanz schaden wird.

  • Spekulationen mit dem Aussterben: In der Standardisierten Bewertung werden die finanziellen Nutzen und Kosten eines Projekts bilanziert. In diese Rechnung gehen Nutzen und Kosten ein, die heute entstehen und auch solche, die in Zukunft anfallen. Dabei werden aus mehreren Gründen die in der Zukunft anfallenden Beträge weniger gewichtet als die der Gegenwart. Als ein Grund wird die Annahme herangezogen, die zukünftigen Generationen könnten ihren Nutzen oder Schaden gar nicht mehr erleben, denn sie könnten ja mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu diesem Zeitpunkt schon ausgestorben sein. Deswegen wird der heutige Nutzen bevorzugt. Diese Rechenart - genannt Diskontierung mit purer Zeitpräferenz - ist ethisch inakzeptabel und ungerecht: Die Diskontierung verbessert das Ergebnis der Nutzen-Kosten-Analyse. Wir rechnen uns Verkehrsprojekte also auf Kosten der Zukunft schön.

ABWÄGUNGSVERFAHREN (FAR):

  • Veränderte Methodik: Zur Abwägung der Trassenführung wurde das FAR-Verfahren (Formalisiertes Abwägungs- und Rangordnungsverfahren) gewählt. Die von der FGSV (Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen) formalisierte Methodik des FAR-Verfahrens wurde von den anwendenden Gutachtern zur Abwägung der StUB-Trasse bis zur Unkenntlichkeit modifiziert, unter anderem derart, dass eine verbal-argumentative Abwägung durch eine rechnerische ersetzt wurde. Dies widerspricht den Formalien des FAR-Verfahrens ausdrücklich und macht das Verfahren anfällig für Manipulation.

  • Entscheidungshilfe: Für die Akzeptanz der Vorzugstrasse in der Erlanger Politik und Gesellschaft spielte das Ergebnis des FAR-Verfahrens eine entscheidende Rolle: Es bestätigte das Ergebnis der Wirtschaftlichkeitsprüfung durch die Aussage, dass die einzig förderfähige Trassenführung mitten durch den Wiesengrund auch die beste für Erlangen sei und zwar nach Abwägung aller wichtigen Belange in einem offiziell normierten Verfahren. Dies ist in unseren Augen eindeutig falsch: Eine nach der wissenschaftlich definierten Methodik des FAR-Verfahrens ausgeführte Abwägung (gemäß FGSV) fand nicht statt.

GUTACHTER:

  • Einseitige Begutachtung: Die Standardisierte Bewertung und die Streckenabwägung (FAR) wurden in Erlangen durch ein und dieselbe Beraterfirma ausgeführt (Intraplan Consult GmbH = ITP). Die gleiche Firma hat außerdem die Standardisierte Bewertung entwickelt. Damit liegen beim StUB-Projekt die Entwicklung und die gutachterliche Anwendung der Wirtschaftlichkeitsprüfung, wie auch die Durchführung des Abwägungsverfahren (das das Ergebnis der Wirtschaftlichkeitsprüfung bestätigte) in einer Hand.

  • Umstrittene Großprojekte: Intraplan hat die Nutzen-Kosten-Analysen vieler höchst umstrittener Großprojekte erstellt und diesen einen Nutzen attestiert: Stuttgart 21, Flughafen BER (Berlin), 3. Startbahn München, Fehmarnbelttunnel und andere mehr. Auch für den Bundesverkehrswegeplan hat das Unternehmen die Nutzen-Kosten-Analyse entwickelt und die Prognosen zum Verkehrsaufkommen gemacht. Mit diesen Prognosen verfasst es Gutachten, mit denen der ADAC für den Ausbau der deutschen Autobahnen wirbt. Das FAR-Verfahren zur StUB hat Intraplan zusammen mit der Firma BPR Künne & Partner erstellt. BPR hat die großen Brücken der Isentalautobahn (A94) durch das dortige Flora-Fauna-Habitat-Gebiet gebaut.

  • Klimaschutz aushebeln: Auch an der Planung der 3. Startbahn am Flughafen Wien/Schwechat war Intraplan gutachterlich beteiligt. Dieses Vorhaben wurde unter Verweis auf das österreichische Klimaschutzgesetz juristisch gestoppt. Die Firma Intraplan unterstützte den Flughafenbetreiber jedoch erfolgreich bei der Anfechtung, sodass das Urteil wieder gekippt werden konnte.

  • Generationen-Ungerechtigkeit: Die ethisch fragwürdige Diskontierung mit purer Zeitpräferenz (siehe oben) wurde unter Mitwirkung der Firma Intraplan in die Nutzen-Kosten-Analyse des Bundesverkehrswegeplans und in die Standardisierte Bewertung eingearbeitet.

  • Unsere Unterstützung: Für seine Gutachten zur StUB erhält Intraplan sechsstellige Summen aus Erlangen und der Region. Ob das gut angelegtes Geld ist? Von einer Stadt im Klimanotstand? Die Aktivitäten und Projekte der Firma sprechen eher gegen ein fortschrittliches Bewusstsein für Artensterben, Klimakrise und Generationengerechtigkeit in diesem Unternehmen.