Erlangens JA zur Südumfahrung bringt Aurachtalbahn in Not

Wo Erlangen trotz Klimanotstand Straßen bauen und Schienen verschwinden lässt

Drei Verkehrswege zwischen Erlangen und Herzogenaurach

Um eine neue und schnellere Verbindung von Herzogenaurach zum Erlanger Bahnhof zu schaffen, soll mitten durch den Erlanger Wiesengrund eine neue 1,5 km lange Betonbrücke für die Stadt-Umland-Bahn und Busse gebaut werden. Für Erlangen ist diese Streckenführung der StUB verkehrstechnisch eher nachteilig: Mit einer Trassenvariante über eine der bestehenden Talbrücken könnten in Erlangen rund 10.000 BürgerInnen mehr an die StUB angebunden werden und damit fast doppelt so viele (!) wie mit der jetzt geplanten Trasse. Zudem erfordert das neue Brückenbauwerk einen enormen Verbrauch an Ressourcen: geschützte Natur, landschaftlicher Erholungsraum und große Mengen an Material und Energie für die Produktion von Stahl und Beton. Damit schadet der Bau dieser Brücke der Natur, dem Klima und letztlich auch den Menschen. Eine neue 1,5 km lange Brücke zu bauen, nur um auf dem Weg zwischen Erlangen und Herzogenaurach (rund 23.000 Einwohner) einige Minuten Fahrzeit einzusparen, erscheint uns nicht nachhaltig.

Dies gilt umso mehr, als es eine stillgelegte Bahntrasse von Erlangen nach Herzogenaurach gibt, die mit deutlich weniger Ressourcenaufwand wiederhergestellt und für den Schienenverkehr zwischen den beiden Städten genutzt werden könnte: die Trasse der Aurachtalbahn. Der Personenverkehr auf dieser Bahnstrecke wurde 1986 eingestellt, der Güterverkehr 1995. Auch deswegen nahm der Straßenverkehr zwischen Erlangen und Herzogenaurach in den letzten Jahrzehnten immer weiter zu.

In Niederndorf, einem Ort an der ehemaligen Bahnstrecke, sind die Straßen mittlerweile überlastet. Doch anstatt die ehemalige Schienentrasse wiederzubeleben, soll hier jetzt eine neue 5 km lange Umgehungsstraße mit fünf Talbrücken von zusammen fast 500 m Länge gebaut werden: die Südumfahrung oder offiziell "Ortsumfahrung Niederndorf-Neuses”. Rund 500 m der Straßenplanung liegen im Erlanger Stadtgebiet, der Rest in Herzogenaurach.

Wir erklären die Südumfahrung in Bildern und wie die drei Verkehrswege politisch zusammenhängen: (Erstes Bild anklicken (das Laden kann einen Moment dauern), dann Maus auf bzw. neben das Bild bewegen, um den Text ein- bzw. auszublenden, weiterklicken…)

Quellenangaben: Karten: OpenStreetMap, Luftbilder aus Google Earth. Eingearbeitete Straßenplanung aus den Unterlagen zum Planfeststellungsverfahren, ausliegend bei der Regierung von Mittelfranken (Unterlage / Blatt Nr. 3/2 - Übersichtslageplan). Landschaftsschutzgebiete entnommen aus dem BayernAltas.

Die Südumfahrung wurde übrigens von der Firma entworfen (Ingenieurbüro Grassl GmbH, siehe z.B. Übersichtslageplan), die auch die neue Brücke durch den Wiesengrund plant.

Die Südumfahrung ist in mehrfacher Hinsicht ein klima- und umweltschädliches Projekt, denn sie …

  • fördert den Autoverkehr und schadet damit dem Klima

  • überbaut die Aurachtalbahn als Alternative und erschwert damit den Ausbau des ÖPNV

  • verdrängt Natur und treibt damit das Artensterben an

  • verbraucht landwirtschaftliche Flächen, die für die regionale Lebensmittelproduktion immer wichtiger werden

  • zerstört landschaftlichen Erholungsraum und schadet damit der physischen und psychischen Gesundheit

  • verbraucht Ressourcen und öffentliche Gelder, die an anderer Stelle für den Klimaschutz fehlen

  • wird im Bau und in der Nutzung viel Geld kosten, sobald CO2 und andere Ressourcen ehrlich bepreist werden

  • verursacht, nicht zuletzt, auch einen gesellschaftspolitischen Schaden. Denn sie gefährdet die Glaubwürdigkeit der Erlanger Stadtpolitik, die sich den Klimaschutz auf die Fahne geschrieben hat.

Das Erlanger JA zur Südumfahrung steht im Widerspruch zu einer ernsthaften Klimanotstandspolitik

Vor zwei Jahren wurde in Erlangen der Klimanotstand ausgerufen. Seitdem hat der Stadtrat mehrfach die Zusage gemacht, sich um das Einhalten der 1,5°C-Grenze zu bemühen. Entsprechende Beschlüsse zum Klimanotstand und Klimaaufbruch wurden offiziell gefasst.

Der Bau der Südumfahrung ist eindeutig klimaschädlich. Eigentlich müsste die Stadt die Straße daher sofort stoppen. Tut sie aber nicht, im Gegenteil: Herzogenaurach hat für die gemeinsame Straße jetzt bei der Regierung von Mittelfranken das Planfeststellungsverfahren angemeldet. Im Rahmen dessen hat auch die Stadtverwaltung Erlangen eine Stellungnahme zu dem Projekt abgegeben. Darin formuliert sie zwar Kritik an der Straßenplanung, stimmt dem Projekt aber grundsätzlich zu. Diese Stellungnahme wurde vom Erlanger Umwelt-, Verkehrs- und Planungesausschuss (UVPA) am 20.04.21 durch eine Mehrheit von SPD/CSU beschlossen.

Dieser Beschluss unterläuft den Erlanger Klimanotstand. Er widerspricht eindeutig den Beschlüssen des Klimanotstands und des Klimaaufbruchs. Es missachtet die Mahnungen der wissenschaftlichen Grundlagenstudie zum Erlanger Klimanotstand. Übergangen wird auch der Erlanger Naturschutzbeirat, der den Bau klipp und klar ablehnt. Und schließlich ignoriert der Beschluss auch eine im Rahmen des Klimanotstandes eingeführte formale Regelung, nämlich, dass jeder klimaschädliche Beschluss des Stadtrats schriftlich begründet werden muss. Diese Begründung lieferte die Stadt nicht.

Kurzer Prozess im Stadtrat

Um den UVPA-Beschluss zu korrigieren und doch noch eine ablehnende Stellungnahme zu erreichen, stellten mehrere Parteien in der nachfolgenden Stadtratssitzung am 29.04.21 einen Überprüfungsantrag. Zusätzlich wurde ein aus den Reihen unserer Bürgerinitiative formulierter Dringlichkeitsantrag von den Erlanger Linken in den Stadtrat eingebracht.

In der Diskussion im Stadtrat begründete OB Dr. Janik sein Vorgehen damit, das freundschaftliche Nachbarschaftsverhältnis zu Herzogenaurach nicht gefährden zu wollen. Die ÖPD merkte an, dass man sich in guten Freundschaften auch auf Fehler aufmerksam machen könne oder sogar sollte. Die Grünen sprachen von einem schwarzen Tag für Klima und Umwelt. Die Linke kritisierte, dass die im Rahmen des Klimanotstands eingeführte Begründungspflicht bei klimaschädlichen Beschlüssen nichts wert sei, wenn sie an entscheidender Stelle ignoriert werde. Und die Klimaliste machte OB Janik auf seine wiederholt geäußerte Strategie aufmerksam, er wolle dort CO2 sparen, wo es am effektivsten sei und fügte hinzu: Der Stopp der Umgehung ließe große Mengen CO2 erst gar nicht entstehen und sei kostenlos zu haben bzw. würde sogar Geld sparen.

Das alles hinderte die SPD/CSU-Kooperation nicht daran, den UVPA-Beschluss auch im Stadtrat durchzuwinken. Die Stellungnahme zur Südumfahrung blieb unverändert. Auf die Kritikpunkte im Dringlichkeitsantrag wurde mit keinem Wort eingegangen. Die formal-schriftliche Begründung bleibt die Stadtspitze der Öffentlichkeit weiterhin schuldig.

Diese Politik können wir nicht verstehen

  • Mit jedem Tag, an dem wir weitermachen wie bisher, wird es schwieriger die Klimakatastrophe aufzuhalten. Die Erlanger Klimanotstandsstudie zitiert eine Untersuchung, nach der die Menschheit schon 2050 (also in 30 Jahren) aufgrund zerstörter Lebensgrundlagen im Chaos enden könnte. Das Aufhalten der Klimakrise ist also schon für uns jetzt Lebende von existentieller Bedeutung. An Projekten wie der Südumfahrung festzuhalten, ist in dieser Situation so, als würde man in einem brennenden Haus weiter zündeln, anstatt zu löschen.

  • Auch der Flächenverbrauch und die weitere Zerstörung von Natur durch die Südumgehung ist nicht zukunftsgerecht. Wie die Klimakrise so ist auch das Artensterben längst eine Bedrohung für den Menschen. Wenn wir das Artensterben und damit den Schwund unserer Lebensgrundlagen aufhalten wollen, dann müssen wir unser Wachstum - vor allem auch das Verkehrswachstum - und den damit verbundene Flächenverbrauch konsequent stoppen.

  • Mit der Ausrufung des Klimanotstandes hatte Erlangen angekündigt im Klimaschutz mutig vorangehen zu wollen. Doch leider müssen weiterhin Umweltverbände, Bürgerinitiativen, Zukunftsaktivisten viel ehrenamtliche Zeit und Kraft aufbringen, um eindeutig rückwärtsgewandte Projekte wie die Südumfahrung durch Unterschriftenaktionen, Bürgerbegehren und evtl. sogar Gerichtsverfahren zu stoppen. In einer glaubwürdigen Klimanotstandspolitik sollte Erlangen die Umwelt- und Klimaakteure in der Region unterstützen (siehe Klimanotstandsstudie S. 43 und S. 105), anstatt sie mit klimaschädlichen Beschlüssen vor den Kopf zu stoßen.

Wir sind erstaunt und befremdet über diese Bedenkenlosigkeit unserer Stadtregierung. Wir fordern:

Südumfahrung STOPPEN - Alternativen möglich machen!

Um uns dem Projekt auch auf der amtlichen Ebene entgegenzustellen, haben wir außerdem eine Einwendung gegen die Planfeststellung der Südumfahrung eingereicht.


Hintergründe / Quellen / Links:

Gegen die Südumfahrung kämpfen die Bürgerinitiative Herzo Süd Bewahren und die BN-Kreisgruppe Höchstadt-Herzogenaurach. Zusammen haben sie einen Film zur Südumfahrung gemacht. Auch die Interessen-Gemeinschaft-Eigentümer-Landwirte IGEL will die neue Umgehungsstraße nicht. Ein Zusammenschluss mehrerer Akteure (Herzo Süd Bewahren, BN, IGEL, Fridays und Parents For Future, Grüne, FW, FDP) will das Projekt mittels Bürgerbegehren (STOPP Südumfahrung Herzogenaurach) stoppen.

Für die Reaktivierung der Aurachtalbahn setzt sich vor allem die Bürgerinitiative Pro Aurachtalbahn ein. Auch Herzo Süd Bewahren, die Eisenbahnfreunde Bruck, die Herzogenauracher Grünen (Quelle: Fränkischer Tag, 11.03.21), sehen in der Aurachtalbahn die bessere Alternative. Der Stadtrat Herzogenaurach hat die Prüfung einer Reaktivierung der Aurachtalbahn beschlossen. Auch ein Arbeitskreis von PRO BAHN befürwortet die Aurachtalbahn, hat sein Engagement derzeit allerdings zurückgestellt, um die StUB nicht zu gefährden. Weitere Infos und Bilder zur Aurachtalbahn finden sich bei Wikipedia, Frankenschienen, Bahnrelikte oder Dorfbahnhof.

Argumente gegen die Aurachtalbahn liefert vor allem der Zweckverband StUB im Rahmen der Alternativenprüfung zur StUB-Trasse. Für das Raumordnungsverfahren holte der ZV eine Stellungnahme von Ministerialrat Dr. Wunsch ein, in der Probleme vor allem hinsichtlich des Fahrgastpotentials, der technischen Machbarkeit und der Finanzierbarkeit geäußert werden. Diese Argumente werden auch von der Allianz-Pro-StUB vorgetragen.
Auf der Homepage der BI Pro Aurachtalbahn wiederum sind Unterlagen einsehbar, die diesen Argumenten widersprechen, unter anderem ein Schreiben der DB Netz AG zum Fahrgastpotential (eingeholt von den Eisenbahnfreunden Bruck) und ein Interview mit dem Erlanger Eisenbahner Dipl. Ing. J. Füngers (Vorsitzender des Vereins Dampfbahn Fränkische Schweiz/Ebermannstadt). Im Rahmen einer Videokonferenz der BI Pro Aurachtalbahn mit dem Bayerischen Verkehrsministerium konnte die Bürgerinitiative diese und viele weitere Unterlagen mittlerweile in München präsentieren. Hiernach sagte oben genannter Ministerialrat Wunsch, das Ministerium werde den Prozess mit Interesse weiter verfolgen, “allerdings müsse schon die Region darüber entscheiden, was sie will.” Anscheinend scheitert die Reaktivierung der Aurachtalbahn also doch eher am politischen Willen, als an der Machbarkeit?
Die Städte Erlangen und Herzogenaurach schaffen mit der Südumfahrung derweil Fakten. Auf der Aurachtalbahntrasse würden die Bürgermeister Dr. Janik und Dr. Hacker gerne einen Radschnellweg bauen.