Augen zu und durch ? Bund Naturschutz - quo vadis !?

Von der “kritisch-konstruktiven” Auseinandersetzung des BN mit der StUB-Trasse auf der letzten Mitgliederversammlung

Am 7. Oktober 2021 fand die Mitgliederversammlung der BN-Kreisgruppe Erlangen als Video-Konferenz statt. Rund 90 wahlberechtigte Mitglieder nahmen teil. Der Online-Abend begann mit Berichten über die Arbeit der Kreisgruppe im vergangenen Jahr. Vorträge zu den Exkursionen der Jugendgruppe und zur Arbeit auf der Streuobstwiese fanden viel Zuspruch. Reibungslos verliefen auch die (Wieder-)Wahlen des Vorstandes.

Der zweite Teil des Abends wurde dominiert von Anträgen zur StUB. BN-Mitglieder aus den Reihen der Wiesengrundfreunde hatten drei Anträge zu möglichen Auswirkungen der jetzt geplante StUB-Trasse auf Natur und Klima gestellt (siehe unten). Als Reaktion darauf hatte der Vorstandvorsitzende Dr. Rainer Hartmann einen Antrag auf Unterstützung des Ostastes eingebracht.

 

Klimabilanz
der StUB

Antrag auf Ablehnung der aktuell geplanten StUB-Trasse aufgrund negativer Klimabilanz und Ressourcenverschwendung beim Trassenbau

Konsequenter Landschafts-schutz

Antrag auf Ablehnung jeglicher Bebauung in Landschaftsschutzgebieten ohne Vorliegen einer Umweltbilanz

Spezialisierte Schmetterlinge

Antrag auf eine unabhängige Gebietsbewertung zur EU-weiten Schutzwürdigkeit der Flora und Fauna im Wiesengrund unter besonderer Beachtung spezialisierter Schmetterlinge

Ostast

Unterstützung Ostast

Antrag auf Unterstützung und konstruktiv-kritische Begleitung der Planungen zum Ostast durch die Kreisgruppe Erlangen des Bund Naturschutz

 

Die Behandlung der Anträge in der Mitgliederversammlung:

  • Der Antrag auf Unterstützung des Ostastes wurde als erstes behandelt (da “weitestgehender Antrag”) und mit großer Mehrheit angenommen.

  • Es folgte ein Geschäftsordnungsantrag mit dem Ziel, die übrigen drei Anträge aufgrund des fortgeschrittenen Abends auf eine extra Präsenzveranstaltung zu vertagen. Dies wurde mehrheitlich abgelehnt.

  • Ein zweiter Geschäftsordnungsantrag auf allgemeine Begrenzung der Redezeit auf 2,5 Minuten fand breite Zustimmung. Die Präsentation der weiteren Anträge durch die jeweiligen Antragsteller war damit nur noch eingeschränkt möglich.

  • Im Weiteren wurde seitens der Moderation laut darüber nachgedacht, den Antrag zur Klimabilanz der StUB aus zwei formellen Gründen nicht zuzulassen: Erstens widerspreche ein Antrag auf Ablehnung der jetzt geplanten StUB-Trasse dem vorhergehenden weitreichenderen Antrag zur Unterstützung des Ostastes. Zweitens stünde ein entsprechender Antrag auch dem Grundsatzbeschluss des Bund Naturschutz Bayern entgegen, die StUB grundsätzlich zu unterstützen. Nach kurzer Diskussion wurden diese Argumente jedoch fallen- und der Antrag zugelassen. Kritik oder Nachfragen zur im Antrag aufgestellten Klimabilanz der StUB gab es nicht. Der Antrag wurde ohne inhaltliche Diskussion mit gut zwei Dritteln der Stimmen abgelehnt.

  • Es folgte der Antrag auf eine konsequente Ablehnung von Bauprojekten in Landschaftsschutzgebieten durch den BN, außer es läge eine umfassende und unabhängige Umweltbilanz vor - insbesondere bei strittigen Bauprojekten, wie es z.B. die neue Regnitztalquerung für die StUB ist. Die Forderung nach regelmäßigen Durchführungen von Umweltbilanzen wurde als zu kompliziert und in der beantragten Form als nicht durchführbar dargestellt. Antworten und Klarstellungen waren durch die Redezeitbeschränkung nicht möglich. Auch dieser Antrag wurde ohne größere Diskussion abgelehnt. Der BN-Vorsitzende versicherte an dieser Stelle am Ende des Planungsprozesses der StUB eine Ökobilanz für das Gesamtprojekt einzufordern.

  • Unsicherheit herrschte bei der Behandlung des Antrags auf eine unabhängige Gebietsbewertung des Wiesengrundes bzgl. des Vorkommens von FFH-Arten (Flora-Fauna-Habitat), speziell bestimmter Schmetterlinge. Aus den Reihen des Vorstandes wurde in den Raum gestellt, der sogenannte Ameisenbläuling käme im Wiesengrund nicht vor. Gleichzeitig wurde der Aussage jedoch nicht widersprochen, die Art habe im Wiesengrund sehr gute Voraussetzungen (ggf. sich auch wieder anzusiedeln) und ein solches Entwicklungspotential gelte es unter Schutz zu stellen. Trotzdem wurde auch dieser Antrag auf Klärung der EU-weiten Schutzwürdigkeit eines akut bedrohten Landschaftsschutzgebiets - eigentlich ein zentrales Interesse des BN - mit gut zwei Dritteln der Stimmen abgelehnt.

Wir denken:

  • Die Aussicht bzw. Hoffnung auf den Ostast darf nicht von den aktuellen ökologischen Problemen der StUB-Trassenplanung ablenken oder diese relativieren. Denn erstens ist der Ostast - mehr noch als die jetzt geplante StUB-Trasse (“2030”) - ein Projekt der entfernten Zukunft (“2040”). Zweitens müssten für eine sinnvolle Ausführung des Ostastes erst die Förderbedingungen der Bundesregierung geändert werden, ähnlich wie für eine ökologische sinnvolle Streckenführung in Erlangen: Denn gemäß der aktuellen Standardisierten Bewertung ist der Ostast nur bis Uttenreuth förderfähig. Das ist gerade mal ein Drittel (5,5 km) der anvisierten Strecke bis Eckental-Eschenau (rund 19 km). Und drittens läuft auch der Ostast Gefahr, ein ökologisch fragwürdiges Projekt zu werden, wenn dessen ökologische Schäden (CO2-Emissionen durch Trassenbau mit weiteren “Kunstbauwerken”, Flächenversiegelung durch neue Bau- und Gewerbegebiete, Umweltbelastung durch allgemeinen Wachstumsschub) nicht konsequent begrenzt werden. Der ökologische Nutzen des Ostastes lässt also, wenn er überhaupt kommt, noch lange auf sich warten.

  • Artensterben und Klimanotstand sind aber jetzt. Und die erwartbaren Schäden durch die geplante StUB-Trasse sind konkret: Die voranschreitende Zerstörung von Naturräumen (wie dem Wiesengrund), das weitere Zurückdrängen seltener Arten (wie bestimmter Schmetterlinge und vielen anderen) und die sich summierenden Klimaschäden durch unnötig überdimensionierte Betonbauwerke (wie die neue 1,5 km lange Regnitztalquerung) sind akute Probleme, die den Erhalt unserer Lebensgrundlagen weiter gefährden.

  • In unseren Augen sollte die kritische Auseinandersetzung mit den ökologischen Problemen der jetzt geplanten StUB-Trasse aus Angst um das Gesamtprojekt nicht ausgebremst werden. Denn die Dringlichkeit für einen umfassenden und konsequenteren Umweltschutz nimmt derzeit rasant zu. Gerade in Erlangen liegt mit der Grundlagenstudie zum Klimanotstand ein wissenschaftliches Dokument vor, welches einen radikalen Wandel hin zu ernsthaftem Klimaschutz für das 1,5°C-Ziel einfordert, begleitet durch konsequenten Naturschutz, Schonung der natürlichen Ressourcen, Beendigung des Wachstumsdogmas und Anwendung des Suffizienzgedankens (Was brauchen wir wirklich?). Entsprechend zu erwarten ist auch eine zunehmende gesellschaftliche Auseinandersetzung mit diesen Themen und eine entsprechende Akzeptanz für die notwendigen Maßnahmen. Wir haben die Sorge, dass der BN mit seiner eher politisch motivierten, festgelegten Haltung zur StUB-Trasse (“Augen zu und durch”) Gefahr läuft, den aktuellen ökologischen Ansprüchen, welche gemäß Satzung (siehe S. 8/9) natürlich auch seine eigenen sind, nicht mehr ausreichend gerecht zu werden.

Wir fragen uns:

  • Wer, wenn nicht der BN, soll für die immer dringender werdenden, von der Wissenschaft geforderten weitreichenden Schritte (“nie dagewesene Maßnahmen”) zur Lösung der globalen Umweltprobleme einstehen? Wer, wenn nicht der BN, soll den Bürgern den notwendigen gesellschaftlichen Wandel (“Transformation”) zur Ermöglichung einer lebenswerten Zukunft vermitteln?

  • Im BN wird argumentiert: … Wenn die StUB nicht kommt, dann werden weiter Straßen gebaut… Nur mit der StUB werden die Menschen auf den ÖPNV umsteigen … Der Autobahnausbau ist viel schlimmer …
    Wird die Unterstützung der betonlastigen und naturzehrenden StUB-Trasse mit diesen Argumenten nicht zur Verzweiflungstat?

  • Die Städte Nürnberg, Erlangen und Herzogenaurach planen weiter Straßen (Frankenschnellweg, Eltersdorfer Umgehung, Niederndorfer Umgehung), Parkhäuser und Tiefgaragen. Der Radwegeausbau dagegen verläuft schleppend, Klimaschutz wird weiter verschoben. Trotz des allseits bekannten Erlanger Klimanotstands haben die Stadtregierungen keine hinreichenden Antworten auf die drängenden ökologischen Probleme unserer Zeit. Macht sich der BN nicht zum Handlanger dieser Politik, wenn er die jetzt geplante StUB-Trasse trotz offensichtlicher Ressourcenverschwendung beim Bau und entsprechender Folgen für Natur und Klima mitträgt?

  • BN und LBV hatten unter anderem gefordert:

    • Die StUB solle nicht über den Wiesengrund geführt werden, sondern über eine bestehende Talquerung.

    • Die StUB solle nicht neben, sondern auf der B4 verlaufen.

    • Die neue Brücke über den Wiesengrund solle ohne Oberleitungen ausgeführt werden wegen der Vögel.

    • In die Ausschreibung des Brückenwettbewerbs solle die Klimabelastung des Brückenbauwerks (Baustellenemissionen) mit aufgenommen werden.

    Obwohl diese wichtigen Forderungen der Umweltverbände nicht erfüllt wurden, steht der BN fest zur aktuellen Trasse. Schwächt er mit dieser offensichtlich eher bedingungslosen Unterstützung nicht seine Verhandlungsposition? Wie lässt sich erreichen, dass der BN bei der Begleitung des Ostastes mehr Gehör findet?

  • Der Erlanger BN-Vorstandsvorsitzende Dr. Rainer Hartmann wiederholte auch auf dieser Versammlung sein Versprechen, der Erlanger BN werde sich erst nach einer Mitgliederbefragung endgültig für oder gegen die aktuell geplante Trassenführung positionieren. Sind seine öffenlichen Aussagen mit einem klaren Ja zur Wöhrmühlbrücke (EN vom 09.10.2021) damit vereinbar?

  • Die angehende Bundesregierung (“Ampel”) plant gerade einen massiven Ausbau des Schienenverkehrs. Bürokratische Hürden sollen abgebaut, Genehmigungsverfahren verkürzt werden. Gleichzeitig wird das eigentliche Problem, der Autoverkehr weiter verschont. Ein Tempolimit ist vom Tisch, von einem Stopp des Straßenbaus ist keine Rede.
    Wenn aber nicht gleichzeitig zum ÖPNV-Ausbau klare Grenzen für das 1,5°C-Ziel und für den Artenschutz gezogen werden, dann ist zu erwarten, dass dieser Ausbau nicht auf Kosten des bestehenden Verkehrs, sondern wieder auf Kosten der Natur stattfindet, wie derzeit in Erlangen. Wie werden der BN (Bayern) und der B.U.N.D (Deutschland) auf diese Pläne reagieren? Die Aussagen von Herrn Mergner, die Brücke über den Wiesengrund sei eine Deutschland-Premiere (siehe auch EN vom 09.10.21, letzter Absatz), geben uns Anlass zur Sorge. Quo vadis, BN?

 
 

Herbst im Wiesengrund

 
 
Christine Höfer-Kliesch