Unsere Forderungen an den Erlanger Stadtrat
Wir fordern den Erlanger Stadtrat auf, die Planungen der StUB zu den Trassenvarianten mitten durch den Erlanger Wiesengrund (Wöhrmühlbrücke und Kosbacher Brücke) unverzüglich zu stoppen.
Wir fordern die Stadt auf, sich der öffentlichen Diskussion über die Sinnhaftigkeit einer neuen 1,6 km langen Betontrasse mitten durch ein Landschaftsschutzgebiet mit wertvollen Biotopen in Zeiten der globalen ökologischen Krise zu stellen.
Wir fordern eine sachlich fundierte und transparente Begründung, wie der ökologische Nutzen, den die StUB vorgeblich bringen wird, den ökologischen Schaden, den der Bau der Vorzugstrasse konkret verursacht, rechtfertigen soll.
Die beim Trassenbau entstehenden Schäden für das globale Klima (Verarbeitung von Beton und Stahl, Emissionen der Baufahrzeuge, Verluste von CO2-Senken durch Baumfällungen und verbaute Böden usw.) müssen berechnet werden und in den Vergleich der Streckenvarianten mit einfließen.
In die Berechnung der erwarteten CO2-Einsparung der StUB muss ein für die 1,5°C-Grenze erforderliches Reduktionsszenario mit einfließen.
Der Ausbau des ÖPNV muss so ressourcenschonend wie möglich erfolgen. Ein Trassenbau durch den Wiesengrund verbietet sich sowohl aus Gründen des lokalen Naturschutzes als auch aus Gründen der Klimakrise.
Der Erlanger Stadtrat muss dringend all seinen politischen Einfluss und alle seine Möglichkeiten ausschöpfen, um baldmöglichst die ernsthafte Prüfung einer Aurachtalbahn-Reaktivierung herbeizuführen.
Die Stadt muss die Sackgasse, in der sich die StUB-Planung befindet, zum Anlass nehmen, sich mit allen ihren politischen Möglichkeiten dafür einzusetzen, dass die bundeseinheitlichen Bewertungsverfahren von Verkehrsprojekten (Standardisierte Bewertung bzw. Nutzen-Kosten-Analyse) grundlegend reformiert werden. Sie müssen endlich in konsequenter Weise die planetaren Grenzen berücksichtigen. Eine solche Reform hätte den Stopp vieler Straßenbauprojekte zur Folge und - durch die freiwerdenden Ressourcen - einen Anschub für Schienenprojekte wie die StUB.
Der Zweckverband ist anzuweisen, alle Geschäftsverbindungen mit der Intraplan Consult GmbH (ITP) zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu kündigen. Die von ITP erstellten Prognosen und Gutachten gefährden unsere Lebensgrundlagen und dürfen daher für die StUB-Planungen nicht mehr berücksichtigt werden. Es sind keine Aufträge mehr an ITP zu erteilen, solange die Standardisierte Bewertung nicht so reformiert wurde, dass das Artensterben und die 1,5°C-Grenze in ehrlicher und konsequenter Weise berücksichtigt werden. Ebenso müssen alle Formen der Diskontierung beendet werden, welche das Wohlergehen kommender Generationen gefährden. Die Stadt soll die genannten Schritte mit den Verpflichtungen begründen, die der Stadt Erlangen durch den Klimanotstand entstehen. Dieser muss als Auftrag gesehen werden, auch über die Stadtpolitik hinaus Zeichen für einen substanziellen Wandel zu setzen.
Wir fordern den Erlanger Stadtrat auf, die dringende Notwendigkeit eines Paradigmenwechsels in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu erkennen und die dafür erforderlichen Veränderungen klar zu benennen. Die Ausrufung des Klimanotstands darf kein Symbol bleiben!
Hintergründe
Wir fordern den Stadtrat auf, die Planungen der StUB zu den Trassenvarianten mitten durch den Erlanger Wiesengrund (Wöhrmühlbrücke und Kosbacher Brücke) unverzüglich zu stoppen.
Das Kernanliegen unserer Bürgerinitiative ist die Bewahrung des Erlanger Wiesengrundes vor einer weiteren Zerschneidung durch eine neue Hauptverkehrsachse. Der StUB-Trassenbau mitten durch den Wiesengrund verbraucht in unnötigem Ausmaß Material, Energie und Flächen. Er bedroht wertvolle Biotope mit ihren Pflanzen und Tieren. Er zerstört Naherholungsgebiet und eine geschützte Landschaft. Er gefährdet eine attraktive, weil naturnahe, nicht motorisierte Verkehrsachse, während der Autoverkehr auf den Straßen bestmöglich verschont bleibt. Ein auf diese Weise vorangetriebener Ausbau des ÖPNV verschärft das Artensterben und sehr wahrscheinlich - anders als allgemein erhofft - auch die Klimakrise. Damit ist er kein Beitrag zur Lösung der globalen Probleme.
Dass die StUB nicht auf einer der vorhandenen Brücken über das Regnitztal geplant wird, sondern über ein neues Betonbauwerk mitten durch die Natur, ist kein Zufall. Die neue Trasse ist eine Abkürzung und damit Ausdruck eines dogmatischen Wachstumsdenkens ohne Rücksicht auf unsere Ressourcen und Lebensgrundlagen. Dadurch wird die jetzt geplante Vorzugstrasse zu einem sehr anschaulichen Beispiel für die katastrophalen Auswirkungen einer ökologisch verfehlten Bundesverkehrspolitik auf ein ursprünglich nachhaltig gedachtes Projekt.
Artensterben und Klimakrise sind mittlerweile so weit fortgeschritten, dass sie nicht mehr - wie derzeit in Erlangen - gegeneinander ausgespielt werden dürfen. Sie sind zu sehen als zwei Symptome genau einer Krankheit, nämlich unseres ungebremsten Wachstums auf einem endlichen Planeten.
Um in Erlangen eine ökologisch sinnvolle Straßenbahn zu installieren, müssen ganz offensichtlich die politischen Voraussetzungen geändert werden. Bundesweit werden auch viele andere Verkehrsprojekte auf ökologisch nicht vertretbare Weise umgesetzt. Ein Paradigmenwechsel in der deutschen Verkehrspolitik ist daher dringend und unabdingbar. Um diesen voranzubringen, sind JETZT in Erlangen die notwendigen politischen Entscheidungen zu treffen. Mit der Ausrufung des Klimanotstands hat sich die Stadt Erlangen explizit dazu verpflichtet, auch über die Grenzen Erlangens hinaus für die 1,5°C-Grenze zu werben und entsprechende Zeichen zu setzen.
Wir fordern die Stadt auf, sich der öffentlichen Diskussion über die Sinnhaftigkeit einer neuen 1,5 km langen Betontrasse mitten durch ein Landschaftsschutzgebiet mit wertvollen Biotopen in Zeiten der globalen ökologischen Krise zu stellen.
Viele Erlanger sind besorgt angesichts der erheblichen Umweltschäden, welche der Bau der jetzt geplanten Vorzugstrasse verursachen würde. Gleichzeitig wird auch die Klimakrise als zunehmend wichtiges Problem erkannt, das einen Ausbau des ÖPNV dringend macht. Die Festlegung auf eine ökologisch fragwürdige Vorzugstrasse hat in Erlangen also zu einem scheinbaren Dilemma zwischen Naturerhalt und Klimaschutz geführt. Dies wirft einen erheblichen Diskussionsbedarf auf.
Fördermittel vom Bund gibt es für die StUB - aufgrund einer nicht mehr zeitgemäßen Wirtschaftlichkeitsprüfung - einzig und allein für eine Trassenführung mitten durch den Wiesengrund. Dadurch ist eine Diskussion über den Streckenverlauf nicht mehr möglich, ohne das Gesamtprojekt in Frage zu stellen. Auch die Diskussion über die ursächliche Förderpolitik wird, zumindest bezüglich der StUB, als nicht mehr zielführend erachtet, weil das Erreichen von Änderungen als zu langwierig und letztlich aussichtslos gilt. Erlaubt bleiben muss in dieser Situation aber die Diskussion darüber, ob das Gesamtergebnis für Erlangen - oder zumindest für die globalen Umweltprobleme - vorteilhaft ist. Und wenn nicht, welche anderen Lösungen es noch gibt. Hierüber fordern wir eine sachlich fundierte Diskussion, die auch der Öffentlichkeit eine objektive Beurteilung und Mitentscheidung ermöglicht.
Wir fordern die Stadt auf, sachlich fundiert und transparent zu begründen, wie der ökologische Nutzen, den die StUB vorgeblich bringen wird, den ökologischen Schaden, den der Bau der Vorzugstrasse konkret verursacht, rechtfertigen soll.
Von den möglichen Querungen über den Regnitzgrund verursachen die Wöhrmühlbrücke und die Kosbacher Brücke die mit Abstand größten lokalen Umweltschäden. Dies ist das eindeutige Ergebnis der Umweltprüfung zum Raumordnungsverfahren. Der Öffentlichkeit wird die StUB mit der jetzt geplanten Vorzugstrasse jedoch weiterhin als ökologisch wertvolles Projekt vermittelt - trotz eines neuen 1,5 km langen Betonbrückenbauwerks mitten durch Erlangens größtes Landschaftsschutzgebiet.
Diese Behauptung muss in der jetzt entstandenen Situation gut begründet und nachvollziehbar sein. Die bisher veröffentlichten Zahlen und Tabellen erfüllen dies in keiner Weise. Erstens sind die angeführten CO2-Werte kaum aussagekräftig, da die Klimabilanz der StUB völlig unzureichend untersucht ist. Und zweitens werden in den Vergleichstabellen die Punktwertungen der Umweltschäden mit Punkten aus anderen Sachthemen vermischt. Eine Transparenz bzgl. der ökologischen Schäden ist nicht gegeben.
Wir fordern: Die beim Trassenbau entstehenden Schäden für das globale Klima (Verarbeitung von Beton und Stahl, Emissionen der Baufahrzeuge, Verluste von CO2-Senken durch Baumfällungen und verbaute Böden usw.) müssen berechnet werden und in den Vergleich der Streckenvarianten mit einfließen.
Gegenüber der Öffentlichkeit werden die beim Trassenbau entstehenden lokalen Umweltschäden gerechtfertigt mit einem positiven Effekt der StUB auf das Weltklima. In Tabellen zum Streckenvergleich wird die Wöhrmühltrasse mit ihrer 1,5 km langen neuen Betonbrücke angepriesen als die klimafreundlichste Variante. Einer Streckenführung über den bestehenden Büchenbacher Damm* wird das geringste CO2-Einsparpotential zugesprochen. Diese Aussage ist unhaltbar. Sie rührt unter anderem daher, weil die beim Bau der StUB-Trasse entstehenden Klimagase gar nicht untersucht werden und somit unberücksichtigt bleiben.
* Für einen Streckenverlauf über den Büchenbacher Damm ist unbedingt eine Führung auf der bestehenden vierspurigen Brücke zu planen, nicht parallel dazu auf einer neuen Brücke!
Wir fordern: In die Berechnung der erwarteten CO2-Einsparung der StUB muss ein für die 1,5°C-Grenze erforderliches Reduktionsszenario mit einfließen.
Bei der Berechnung der CO2-Ersparnis, die die StUB in 10 Jahren erzielen könnte, wird davon ausgegangen, dass sich der Verkehr und seine Emissionen bis dahin nicht wesentlich geändert haben oder sogar gestiegen sind. Ein solches Szenario ist mit dem Einhalten der 1,5°C-Grenze absolut unvereinbar und bedeutet unzumutbare Umweltschäden für die kommenden Generationen. Da die StUB noch nicht fährt und dann, wenn sie fährt, auch nur einen kleinen Beitrag zur Verkehrswende leisten kann (einstelliger Prozentwert), wird der größte Beitrag zur CO2-Reduktion durch andere Maßnahmen erreicht werden müssen (Umstieg auf Bus, Fahrrad, Elektromobilität, Vermeidung von Fahrten etc.).
Die CO2-Einsparung der StUB resultiert aus der Verlagerung eines prozentualen Anteils des PKW-Verkehrs auf die Schiene. Er hängt damit immer vom gerade herrschenden PKW-Verkehr und dessen Emissionen ab. Diese müssen daher gemäß einem Reduktionsszenario abgeschätzt werden.
Die aktuell veröffentlichten Werte entsprechen am ehesten der Einsparung einer StUB, als würde sie schon heute losfahren. Damit sind sie viel zu hoch.
Wir fordern: Der Ausbau des ÖPNV muss so ressourcenschonend wie möglich erfolgen. Ein Trassenbau durch den Wiesengrund verbietet sich sowohl aus Gründen des lokalen Naturschutzes als auch aus Gründen der Klimakrise.
Die Klimakrise ist mittlerweile ein höchst akutes Problem mit dringendem Handlungsbedarf. Die CO2-Emissionen - auch die im Verkehr - müssen schnell sinken. Der Bau der Vorzugstrasse mit langen Brückenbauwerken und teilweise tunnelartigen Unterführungen setzt große Mengen an Treibhausgasen frei. Dem Klima wird dadurch erst einmal geschadet. Bevor die StUB diese Emissionen durch ihre Einsparungen im Betrieb wieder hereingeholt hat, um ab dann überhaupt einen positiven Klimaeffekt haben zu können, werden nach unserer Einschätzung ab heute mindestens 20 Jahre vergehen. Und dies gilt auch nur in einem völlig ungenügenden CO2-Reduktionsszenario. In einem für die 1,5°C-Grenze notwendigen Szenario können die CO2-Emissionen der Baustelle höchstwahrscheinlich überhaupt nicht mehr hereingefahren werden. Zur Bewältigung der Klimakrise kommt der Beitrag der StUB in der jetzt geplanten Form somit eindeutig zu spät. Er kann daher auch nicht als Rechtfertigung dienen, diejenige Trasse mit den maximalen lokal-ökologischen Schäden zu realisieren.
Wir fordern: Der Erlanger Stadtrat muss dringend all seinen politischen Einfluss und alle seine Möglichkeiten ausschöpfen, um baldmöglichst die ernsthafte Prüfung einer Aurachtalbahn-Reaktivierung herbeizuführen.
Den Autoverkehr von Nürnberg nach Erlangen durch die Installation einer Straßenbahn auf zwei Spuren der bestehenden B4 (nicht neben dieser) auf die Schiene zu verlagern, erscheint sinnvoll.
Die Realisierung einer Schienenverbindung von Erlangen nach Herzogenaurach über einen ressourcenfressenden Trassenneubau mitten durch die Biotope des Wiesengrundes und weiter übers freie Feld halten wir dagegen für ökologisch widersinnig. Den größten Beitrag zur Lösung der Klimakrise kann ein Ausbau des ÖPNV dann bringen, wenn er schnell und ohne großen Ressourcenverbrauch realisierbar ist. Beides könnte die Reaktivierung der Aurachtalbahn erfüllen. Eine entsprechende Verbindung könnte zudem das Herzogenauracher Zentrum und mit Schaeffler den größten dort ansässigen Arbeitgeber mit einer kürzeren Fahrzeit (S-Bahn) an das S-Bahn-Netz der Metropolregion anschließen, als die StUB über die Vorzugstrasse.
Wir fordern: Nehmen Sie die Sackgasse, in der sich die StUB-Planung befindet, zum Anlass, sich mit allen Ihren politischen Möglichkeiten dafür einzusetzen, dass die bundeseinheitlichen Bewertungsverfahren von Verkehrsprojekten (Standardisierte Bewertung bzw. Nutzen-Kosten-Analyse) grundlegend reformiert werden. Sie müssen endlich in konsequenter Weise die planetaren Grenzen berücksichtigen. Eine solche Reform hätte den Stopp vieler Straßenbauprojekte zur Folge und - durch die freiwerdenden Ressourcen - einen Anschub für Schienenprojekte wie die StUB.
Alle Infrastrukturprojekte, die wie die StUB von einer Förderung über das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) abhängig sind, werden mit der Standardisierten Bewertung - einer Form der Nutzen-Kosten-Analyse (NKA) - geprüft. Auch die Projekte des Bundesverkehrswegeplans (BVWP) werden mit einer NKA bewertet. Die beiden NKA-Verfahren sind sich ähnlich. Die Standardisierte Bewertung orientiert sich an der NKA des BVWP. Viele Parameter wurden vereinheitlicht. Beide Verfahren werden von den selben Beratern weiterentwickelt.
Die Bedeutung der Nutzen-Kosten-Analyse im Verkehr geht also weit über die StUB hinaus. Mit ihr wird auch der immer noch voranschreitende Ausbau von Fernstraßen begründet.
Einfluss der Nutzen-Kosten-Analyse auf die StUB
Eine ökologisch sinnvolle Trasse für die StUB zu finden, scheitert bisher an der Standardisierten Bewertung. Gemäß dieser Wirtschaftlichkeitsprüfung gibt es in Erlangen nur eine einzige rentable Möglichkeit eine Straßenbahn zu bauen, nämlich die mit einer neuen Verkehrstrasse mitten durch den Wiesengrund. Die Logik dahinter ist das Streben nach Gewinn bzw. Wachstum. Eine Abkürzung durch den Wiesengrund würde den Nutzern Zeit sparen. Zeit = Geld = Gewinn/ Wachstum. Nur zusammen mit dem geldwerten Vorteil dieses Zeitgewinns über den Wiesengrund Richtung Stadtwesten lassen sich die als Einzelmaßnahmen „unrentablen“ Strecken von Nürnberg nach Erlangen oder von Erlangen ins Schwabachtal zu einem rentablen Großprojekt - der StUB - verbinden. Die Wirtschaftlichkeit wird zusätzlich durch Wachstumsprognosen erreicht, die ökologisch höchst fragwürdig sind: steigende Fluggastzahlen am Flughafen Nürnberg, wachsender Konsum in den Outlet-Shops in Herzo Base und zunehmender Verkehr insgesamt.
Keine vernünftigen Kennzahlen zur Klimawirkung
Was der Nutzen-Kosten-Faktor (Ergebnis der NKA) jedoch völlig unzureichend oder gar nicht abbildet, sind der Ressourcenverbrauch und die Einhaltung der planetaren Grenzen: Keine Berücksichtigung der Emissionen durch den Bau (Standardisierte Bewertung). Keine Bewertung der absoluten Emissionen eines zukünftigen Betriebs (v.a. BVWP). Keine Emissionsgrenzen für das 1,5°C-Ziel, kein Limit für den Flächenverbrauch. Keine prognostizierte Verkehrswende, kein Wandel von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Aus diesem Grund liefert die Nutzen-Kosten-Analyse über das jeweilige Projekt auch keine brauchbaren Zahlen zur Klimawirksamkeit wie z.B.: Wie sieht die CO2-Bilanz über die nächsten 5, 10 oder 20 Jahre aus? D.h. wie lange fallen zusätzliche Emissionen an, ab wann wird effektiv CO2 eingespart und wie viel? Welche absoluten Emissionen fallen bei der Nutzung der Autobahn XY im Jahr 2030 noch an? Sind diese mit der 1,5°C-Grenze vereinbar? Wie hoch sind sie im Vergleich zu den Emissionen einer Bahnstrecke… usw. Die einzige „Klimazahl“, die bewertet wird, ist eine CO2-Ersparnis aus einer Zukunft, die so gar nicht eintreten darf (siehe Forderung 5).
Wir brauchen ein neues Prüfwerkzeug
Die Prüfung ignoriert völlig, dass wir uns aufgrund der Flächenbeanspruchung unserer Zivilisation bereits heute in einem existentiell bedrohlichen Massensterben unserer Biosphäre befinden. Und dass wir in weniger als 10 Jahren soviel CO2 in die Atmosphäre emittiert haben werden, dass sich diese in eine womöglich selbstverstärkende und für den Menschen unkontrollierbare Hitzefalle verwandeln wird. Dadurch, dass Naturverluste in Wirtschaftlichkeitsprüfungen seit Jahrzehnten kaum eine Rolle spielen, droht uns demnächst ein Totalverlust, nämlich der unserer Lebensgrundlagen. Diese Art zu wirtschaften bringt uns um. Sie muss ein Ende finden.
Wir brauchen so schnell wie möglich neue Maximen in der Verkehrspolitik und ein entsprechendes Prüfwerkzeug. Ressourceneffizienz und die 1,5°C-Grenze müssen hier eine prioritäre Rolle spielen. Dem Autobahnausbau darf nicht länger ein höherer Nutzen-Kosten-Faktor und sogar ein höherer Nutzen für das Klima (höhere absolute CO2-Einsparung durch höhere Nutzerzahlen) zugeschrieben werden, als dem Bau einer Straßenbahn!
Wir fordern: Kündigen Sie alle Geschäftsverbindungen mit der Intraplan Consult GmbH (ITP) zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Die von ITP erstellten Prognosen und Gutachten gefährden unsere Lebensgrundlagen und dürfen daher für die StUB-Planungen nicht mehr berücksichtigt werden. Erteilen Sie keine Aufträge mehr an dieses Büro, solange die Standardisierte Bewertung nicht so reformiert wurde, dass das Artensterben und die 1,5°C-Grenze in ehrlicher und konsequenter Weise berücksichtigt werden. Ebenso müssen alle Formen der Diskontierung beendet werden, welche das Wohlergehen kommender Generationen gefährden. Begründen Sie die genannten Schritte mit den Verpflichtungen, die der Stadt Erlangen durch den Klimanotstand entstehen. Dieser muss als Auftrag gesehen werden, auch über die Stadtpolitik hinaus Zeichen für einen substanziellen Wandel zu setzen.
Die Wahrscheinlichkeit, dass die StUB nach mehreren Jahren konkreter Planung eines Tages aufgrund einer ökologisch inakzeptablen Trassenplanung am Widerstand der Bevölkerung scheitert, ist sehr hoch. Hierfür ganz wesentlich verantwortlich ist die externe Beratung durch die Gutachterfirma Intraplan Consult GmbH (ITP). Diese erstellt für die StUB alle Nutzen-Kosten-Analysen (NKA). Dadurch, dass die Ergebnisse nur knapp wirtschaftliche Werte erreichen, diktiert die NKA in Erlangen auch den Trassenverlauf.
Gleichzeitig spielt Intraplan in der deutschen Verkehrspolitik und -wirtschaft eine Schlüsselrolle: Sie hat die Standardisierte Bewertung mit der NKA erfunden und entwickelt sie in Zusammenarbeit mit der Bundespolitik auch laufend weiter. Leider spricht sie sich jedoch in der Bundesverkehrspolitik ganz klar gegen eine grundlegende ökologische Reform der Standardisierten Bewertung aus mit dem Argument, Umweltbelange seien bereits ausreichend eingepflegt. Dem ist natürlich scharf zu widersprechen, denn sonst hätte Erlangen seit mindestens 20 Jahren eine Straßenbahn, die Aurachtalbahn wäre längst reaktiviert und der absolut kontraproduktive Autobahnausbau im Erlanger Umland fände nicht mehr statt.
Wachstumsprognosen ohne Grenzen
Auf ihrer Homepage schreibt die Firma Intraplan über den Straßenverkehr: „Die Straße ist und bleibt der Verkehrsträger Nr. 1. […] An dieser Situation wird sich auch in absehbarer Zeit nichts ändern. […] Die Entwicklung des Straßennetzes erfordert damit eine besonders sorgfältige Planung, damit es auch zukünftig seine Funktion als Rückgrat der Verkehrsinfrastruktur erfüllen kann.“ Zum Flugverkehr: „Der Luftverkehr ist der Verkehrszweig mit der größten Wachstumsdynamik. […] Und ein Ende des Wachstums ist nicht abzusehen. Um weiterhin den Infrastrukturbedarf befriedigen zu können, sind große Investitionen erforderlich.“ Den ÖPNV benennt das Unternehmen als seine Kernkompetenz. Hier geht es aufgrund der knappen öffentlichen Kassen eher um Auslastung, Effizienz und Grenzkosten. Zu den Ausbaumaßnahmen im ÖPNV heißt es: „Nur dann, wenn die langfristige Finanzierbarkeit [...] gesichert ist, ist deren Realisierung zu verantworten.“ Das ist natürlich richtig. Keine Kommune sollte an ihrer Infrastruktur pleite gehen. Andererseits wäre eine ähnliche, an unseren Lebensgrundlagen orientierte Aussage zum Flug- und Straßenverkehr schon seit Jahrzehnten mindestens genauso wichtig: Nur dann, wenn der Bau und die dauerhafte Nutzung der Infrastruktur mit den planetaren Grenzen vereinbar ist, ist deren Realisierung zu verantworten!
Doch Artensterben und Klimakrise halten Intraplan nicht auf. Die Prognosen im BVWP 2030 (ITP „federführend verantwortlich“) geben die Steigerungen im Verkehr bis 2030 vor und untermauern damit auch die Notwendigkeiten für den weiteren Ausbau der Infrastruktur: Pkw-Dichte und MIV*-Leistung +10%, Bahnverkehr +19%, Bus und Straßenbahn +6%, Flugverkehr +65%, Radverkehr +8% (im Modalsplit** sogar negativ), Fußverkehr -8%, Güterverkehr +38% (Anteile Straße/Schiene etwa gleichbleibend!).
* Motorisierter Individualverkehr
** Verhältnis der Verkehrsmittel zueinanderGutachten gegen den Klimaschutz
Diese Wachstumsprognosen des BVWP werden dann - auch von Intraplan selbst - in die Gutachten für die Verkehrswirtschaft eingearbeitet und treiben so den Ausbau der entsprechenden Strukturen voran. Z.B. Flughäfen: 3. Startbahn München, 3. Terminal Frankfurt, Ausbau Köln/Bonn, Vergrößerung BER noch während der Bauphase, Ausbau Zürich, Regionalflughäfen Kassel-Calden und im Rhein-Neckar-Dreieck. Besonders entlarvend ist der Fall Wien-Schwechat: Hier untersagte das österreichische Bundesverwaltungsgericht 2017 den Bau einer 3. Startbahn mit einer ausführlichst begründeten Entscheidung: Für das Allgemeinwohl sei der Schutz vor dem Klimawandel höher zu werten, als standortpolitische Vorteile der Flughafenregion. Intraplan jedoch unterstützte den Flughafenbetreiber im anschließenden Ringen um die Startbahn gutachterlich weiter, sodass dieses wegweisende Urteil vom Verwaltungsgerichtshof 2019 wieder gekippt wurde. Darüber „freute“ sich Intraplan in aller Öffentlichkeit. Damit untergräbt das Unternehmen die Möglichkeit, Klimaschutz gerichtlich durchzusetzen.
Abschreibung der kommenden Generationen
Auch für die Entwicklung im Straßennetz ist Intraplan mitverantwortlich, indem es z.B. der Autolobby Gutachten mit entsprechenden Wachstumsprognosen liefert, die dann mit einem drohenden Verkehrskollaps Stimmung machen kann. Da die NKA über den BVWP auch im Straßenausbau eine Lenkungswirkung hat, könnte dieses Werkzeug in einer ökologisch reformierten Form die Ausbauwut bremsen. Aber unter der Beteiligung von Intraplan wird die NKA in ganz anderer Weise weiterentwickelt: Im Rahmen der Überarbeitung von 2016 hat eine entsprechende Arbeitsgruppe (ITP, Planco, TU Berlin) in die NKA einen - zumindest für alle Freunde der Generationengerechtigkeit - ethisch völlig inakzeptablen Zinsfaktor eingeführt: die „reine Zeitpräferenz“ (Prinzip: „heute ist uns wichtiger als morgen“). Um Geldwerte aus verschiedenen Jahren miteinander verrechnen zu können, ist es aus mehreren, auch schon fragwürdigen Gründen üblich, die Nutzen- und Kosten-Beträge der Zukunft weniger zu gewichten als die heutigen (Diskontierung). Da es bei Verkehrsprojekten immer auch um monetarisierbare Umweltschäden geht, werden auch die in der Zukunft liegenden Umweltschäden weniger stark gewichtet. Der Diskontierungssatz wurde 2016 - wohl vor allem aufgrund allgemein gefallener Zinsen - deutlich abgesenkt von 3% auf 1,5% jährlich. Unter erstmaliger Anwendung der „reinen Zeitpräferenz“ wurde der Zinssatz aber wieder um 0,2% auf 1,7% erhöht mit der Begründung, die Menschheit könne mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit untergehen (rund 10% in 100 Jahren). In diesem Fall hätte ja dann keiner einen Nutzen oder Schaden. Die entsprechenden Geldwerte sollten daher nicht zu sehr ins Gewicht fallen. Damit werden in der Förderpolitik der deutschen Bundesregierung seit 2016 Weltuntergangsszenarien konkret mit einberechnet. Leider aber nicht mit dem Ziel, die kommenden Generationen für schwierige Zeiten zu stärken, sondern ganz im Gegenteil, um deren Verhältnisse nicht zu sehr zu gewichten, damit das heutige Wachstum nicht geschwächt wird. Das heißt umgekehrt: Jedes Verkehrsprojekt, das für das GVFG oder den BVWP mit der NKA geprüft wird, bürdet den kommenden Generationen unverhältnismäßige Lasten auf, sollten die einkalkulierten Untergangsszenarien doch nicht eintreten. Unsere Bürgerinitiative geht davon aus, dass auch für die StUB der beschriebene Diskontierungssatz von 1,7%, eventuell nicht in der NKA selber, aber zumindest für die Folgekostenrechnung angewandt wird.
Ökologisch unsinnige Bahnprojekte
Leider gehört mit Stuttgart 21 auch die deutschlandweit wohl am meisten umstrittene Gleisbaustelle zu den von Intraplan begleiteten Projekten. Und auch für ein Gutachten zur 2. Stammstrecke in München erntet Intraplan heftige Kritik. Beide Tunnelprojekte gelten als zu teuer und als verkehrstechnisch und ökologisch unsinnig. Noch teurer und unsinniger wird vielleicht einmal die Fehmarnbeltquerung mit einem auf dem Meeresboden liegenden Tunnel.
Aber auch ein kleineres Projekt kann über das Ziel hinausschießen: Der Stadt Erlangen versucht Intraplan nun also zu Zeiten von FridaysForFuture und Extinction Rebellion eine 1,6 km lange neue Betontrasse als ökologisch wertvolles ÖPNV-Projekt bzw. sogar als die klimafreundlichste Variante der StUB zu verkaufen. Der Zweckverband bekam dadurch die undankbare Aufgabe, dieses paradoxe Ergebnis der Öffentlichkeit zu vermitteln und hatte diesbezüglich mit einer aufwendigen und als vorbildlich angesehenen Bürgerbeteiligung durchaus Erfolg. Leider ist in Erlangen die Diskussion um die Streckenführung dabei zu einem Tabu-Thema verkommen. Und es ist ein vor sich hin schwelender Konflikt bis tief in die Umweltverbände hinein entstanden, der das Projekt in allen weiteren Planungsphasen zu Fall bringen kann. Dabei ist zu beachten, dass jede weitere Verschärfung der Klimakrise der Erkenntnis in die Hände spielen wird, dass eine überdimensionierte neue Betontrasse heute ökologisch nicht mehr zu vertreten ist, erst recht nicht, wenn es auch andere Möglichkeiten gibt. Mit jedem späteren Stopp der StUB verlieren wir wertvolle Zeit, Gelder und personelle Ressourcen.
Einfluss der Gutachter und Berater
Die wachstumsorientierten Gutachten der Firma Intraplan haben einen extrem breit gestreuten Einfluss auf die gesamte deutsche Verkehrspolitik und -wirtschaft und damit auch auf den Ausbau der Infrastruktur. Auf ihrer Homepage listet Intraplan über 300 Kunden auf: Städte und Gemeinden, Landesregierungen, Bundesämter und -ministerien, Verkehrsverbünde, die Deutsche Bahn, Flughäfen, Fluggesellschaften, Lobbyverbände, private Infrastrukturbetreiber und Investmentgesellschaften, Wirtschaftsunternehmen und Institute, Hochschulen, Verbände und Vereine. Eine bundesweite, ökologisch sinnvolle Verkehrswende kann nur gelingen, wenn die Gutachter- und Beraterfirmen von der Maxime unendlichen Wachstums ablassen. Dies ist vermutlich nur zu erreichen durch sinkende Einnahmen, öffentlichen Druck und natürlich politische Entscheidungen! Die Antwort auf die uns angepriesene Vorzugstrasse muss daher sein: StUB ja, aber nicht so!
Wir fordern den Erlanger Stadtrat auf, die dringende Notwendigkeit eines Paradigmenwechsels in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu erkennen und die dafür erforderlichen Veränderungen klar zu benennen. Die Ausrufung des Klimanotstands darf kein Symbol bleiben!
Die Annahme, dass die Wöhrmühltrasse die klimafreundlichste Streckenführung sei, begründet Intraplan mit deren Attraktivität für den Nutzer. Ein Zeitgewinn werde mehr Menschen zum Umstieg auf den ÖPNV motivieren. Dadurch werde diese Trasse mehr Klimagase einsparen. Dieses Argument ist in der aktuellen Debatte zur Verkehrswende allgegenwärtig: Um von den Menschen angenommen zu werden, müsse das neue Verkehrsmittel einen Vorteil aufweisen: schneller, bequemer, bessere Verfügbarkeit etc. Das mag aktuell so sein. Es ist auch das Hauptargument für die StUB generell: Eine Straßenbahn ist bequemer als der Bus. Sie wird daher besser angenommen („Schienenbonus“).
Die Verkehrswende, die wir brauchen
Aber dieses Argument hat einen ganz entscheidenden Haken. Die Verkehrswende, die für die 1,5°C-Grenze notwendig ist, wird mit Attraktivität alleine niemals zu erreichen sein. Die StUB mit der Vorzugstrasse würde nach dem Konzept von Intraplan erst in 10 Jahren gerade mal 2% des Verkehrs auf die Schiene verlagern und in mehr als 20 Jahren nicht einmal 2% der Emissionen sparen. D.h. die restlichen 98% des Verkehrs und der Emissionen wären immer noch da. Zur Lösung der Klimakrise kann die StUB also keinen wirklich entscheidenden Beitrag leisten. Viel schwerer wiegt die Frage: Was machen die restlichen 98% der Verkehrsteilnehmer?
Wir werden es vermutlich nicht schaffen, in den nächsten 10 Jahren ein Straßenbahnnetz aufzubauen, das die gesamte Stadt und ihr Umland abdeckt. Auch der Ersatz aller fossil betriebenen Pkw durch Elektroautos ist überhaupt keine Lösung. In anderen Bereichen ist das Problem noch viel eindeutiger: Der Luftverkehr darf auf keinen Fall mit den aktuellen Fluggastzahlen fortgeführt werden und diese dürfen erst recht nicht steigen. Emissionsfreie und gleichzeitig ähnlich leistungsfähige Flugzeuge wie heute wird es in den nächsten 10 Jahren nicht geben. Auch die Wirtschaft wird die jetzigen Warenmengen in 10 Jahren nicht vollständig emissionsfrei produzieren können. D.h. Technik alleine wird das Problem nicht lösen. Wenn wir die Emissionen wirksam reduzieren wollen, dann müssen die Menschen Bus fahren, Fahrrad fahren, laufen, Fahrten vermeiden (z.B. auch durch Fahrgemeinschaften, Homeoffice etc.), weniger fliegen, weniger konsumieren, weniger Fleisch essen.... ABER: es ist sehr wahrscheinlich, dass sie dies im Verlauf immer weniger müssen, als vielmehr zunehmend wollen. Von sich aus. Warum? Was wird die Klimakrise mit uns machen?
Paradigmenwechsel
Selbst in den günstigsten Szenarien, wird die globale Erwärmung mindestens zwei bis drei Jahrzehnte weiter fortschreiten, der Meeresspiegel sogar für mehrere Jahrhunderte weiter steigen. Die Naturkatastrophen werden sich weiter häufen und zunehmend auch bei uns stattfinden. Dadurch wird immer mehr Menschen klar werden, dass es so nicht weitergeht. Dass diese Krise wirklich gefährlich ist. Für alle. Für die Menschen im globalen Süden, für das weitere Leben unserer Kinder und sogar schon für uns selber. Und dass es unseren Kindern einfach nicht zuzumuten ist, in den nächsten zwei bis drei Jahrzehnten das Absterben unserer Biosphäre mit anzusehen. Und damit bedrohliche Verwerfungen unserer Zivilisation oder sogar deren Ende mitzuerleben. Aus moralischen Aspekten (Verantwortungsbewusstsein, Gerechtigkeitsempfinden, Vorsorgeverpflichtung), aber vielleicht auch aus Emotionen heraus wie Solidarität, Mitgefühl und Liebe zu den schon heute Betroffenen und zu unseren Kindern werden wir irgendwann umdenken. Es wird immer mehr Mode werden, Anerkennung bringen und letztlich auch Genugtuung bedeuten, eben nicht mehr zum Schaden oder Elend der Mitmenschen beizutragen, sondern verantwortungsvoll zu handeln. Wie heute in den meisten Teilen der westlichen Welt Sklavenhaltung, Apartheid, Ungleichstellung der Geschlechter, Kinder züchtigen usw. in der Gesellschaft nicht mehr tragfähig sind, so wird auch das Verursachen von Treibhausgasen immer mehr verpönt sein. Und damit werden sich nicht nur der eigene Lebensstil, sondern auch politische und wirtschaftliche Entscheidungen verändern.
Dieser Prozess eines Paradigmenwechsels hat längst begonnen. Die Fridays-For-Future-Bewegung hat erreicht, dass die deutsche Politik, wenn auch ein völlig ungenügendes, aber zumindest überhaupt ein Klimaschutzgesetz beschlossen hat. In der Wirtschaft werden Geschäfte mit der Kohleindustrie zu einem Image-Problem. Und auch im Privatleben muss man sich zunehmend für Flugurlaube, ein unnötig großes Auto oder überbordenen Konsum rechtfertigen. Oder man erhält Anerkennung für eine Lebensweise ohne Fleischverzehr oder ohne ein eigenes Auto. Auch in diesem Prozess kann es zu Kipp- bzw. Masseneffekten kommen. Die Frage ist weniger ob, sondern wann diese Effekte eintreten. Sobald aber eine kritische Menge an Handlungswilligen erreicht ist, wird auch die Politik Gesetze verabschieden können, die dafür sorgen, dass sich diesen Veränderungen niemand mehr entziehen kann.
Selbsterfüllende Prophezeiungen
Wenn aber immer mehr Menschen aktiv zum Klimaschutz beitragen wollen, dann hätte dies auch großen Einfluss auf unsere Mobilität. Im Fall der StUB könnte es zum Beispiel dazu führen, dass die Menschen nicht mehr nur aus einem Umkreis von 300 m zu einer Haltestelle laufen, sondern aus 500 oder 1000 m. Oder hierfür mit dem Fahrrad nicht nur 1 km sondern auch 2 oder 3 km fahren. Oder dass sie für den täglichen Arbeitsweg statt 20 min auch 40 min Straßenbahnfahrt in Kauf nehmen. Oder dass sie eben nicht nur die StUB, sondern auch den Bus als alltägliches Verkehrsmittel annehmen.
Würde die Standardisierte Bewertung dies alles berücksichtigen, dann käme sie zu völlig anderen Ergebnissen: Die StUB wäre auf fast allen Strecken rappelvoll und damit auch rentabel. Und genau darin liegt das nächste Problem: Die Gutachter und deren Programme ignorieren erstens nicht nur die planetaren Grenzen und machen dadurch Prognosen für eine Zukunft, die es schlicht nicht geben darf. Sie sehen zweitens auch den gesellschaftlichen Wandel nicht kommen. Dadurch setzen sie ihre falschen Annahmen (eines immer weiter steigenden Mobilitätsbedürfnisses mit geringer Bereitschaft zum Umstieg auf den ÖPNV) fort und bauen weiter Flughäfen, Straßen und schnellere Schienenverkehrsachsen, welche dann tatsächlich wieder neue Mobilitätsbedürfnisse (zusätzliche Fahrten, längere Pendelstrecken, entferntere Urlaube) erzeugen. Die Prophezeiungen der Verkehrsgutachter sind also größtenteils selbsterfüllend. Und eine effektive Verkehrswende wird dadurch immer schwieriger.
Wir entscheiden, wie die Zukunft aussieht
Entsprechendes gilt natürlich auch für die Politik: Wenn die Politik mehr Autoverkehr erwartet, wird sie Straßen bauen lassen und mehr Verkehr ernten. Wenn sie glaubt, dass die Standardisierte Bewertung nicht geändert wird, wird sie dies auch nicht ernsthaft in Angriff nehmen und dann wird sich auch nichts ändern. Und wenn die Politiker die Notwendigkeit eines Paradigmenwechsels nicht erkennen, diesen nicht kommen sehen oder auch nicht von ihm sprechen, dann wird er auch so schnell nicht kommen. Wir brauchen also unbedingt Politiker, die an die fundamentalen Veränderungen glauben, die wir jetzt so dringend brauchen! Die gutachterlichen Prognosen zum Verkehr sind keine Naturgesetze! Wie die Zukunft aussehen wird, beeinflussen wir hauptsächlich durch unsere jetzigen Entscheidungen.
Es ist nicht weiter die Aufgabe der Zukunftsaktivisten, die Katastrophenszenarien der Klimawissenschaften an die Öffentlichkeit zu bringen, Klimagerechtigkeit einzufordern, Lösungswege zu erarbeiten und nachhaltige Lebensstile vorzuleben. Es ist die Aufgabe der Politik! Die Menschen müssen endlich von offizieller Seite darüber informiert werden, dass die Mithilfe aller gefragt ist, wenn wir die Erde so erhalten wollen, dass sie der menschlichen Zivilisation auch in Zukunft noch eine gute Lebensgrundlage bieten kann.
Artensterben, Klimanotstand und die StUB
In der Öffentlichkeit wird der Ausrufung des Klimanotstands häufig eine vor allem symbolische Wirkung zugeschrieben. Dies bedeutet jedoch eine dramatische Verkennung des Problems. Damit die Bürger Artensterben und Klimakrise (und im Zusammenhang damit dann auch die StUB) beurteilen können, muss ihnen die Stadt unter anderem folgendes mitteilen:
Das Artensterben gilt im Konzept der planetaren Grenzen als mindestens so gefährlich wie die Klimakrise. Kompromisse zu Lasten des Artensterbens sind daher keine Lösung. Neue Verkehrsachsen sind kontraproduktiv. Schutzgebiete müssen nicht nur erhalten, sondern erweitert werden.
Die Klimakrise ist ein zeitversetztes, aber demnächst fatales Problem. Die EU schreibt in ihrem aktuellen Risikobericht (frei übersetzt): „Ein Temperaturanstieg von 1,5°C ist das Maximum, was unser Planet aushält. […] Darüber hinaus wird es wahrscheinlich, dass die schwächsten Bevölkerungsteile der Welt aussterben, schlimmstenfalls die gesamte Menschheit.“ Das bedeutet: Das „1,5-Grad-Ziel“ ist weniger als Ziel anzusehen, sondern vielmehr als eine Grenze.
Weil wir die Klimakrise weltweit nur gemeinsam lösen können, gibt es das Pariser Abkommen, in dem sich die Industrienationen verpflichtet haben, wegen ihrer Verantwortlichkeit, ihres Reichtums und ihrer technischen Möglichkeiten voranzugehen. Dahinter steht die Erkenntnis, dass weltweiter Klimaschutz nur mit einem Konzept der Klimagerechtigkeit funktionieren kann. Erlangen ist eine reiche Stadt, im reichen Deutschland, im reichen Europa. Wer, wenn nicht wir, soll vorangehen?
Wenn Deutschland Klimagerechtigkeit wenigstens ab heute akzeptieren würde (also ohne die Ungerechtigkeit der letzten Jahrzehnte zu berücksichtigen), dann hätten wir zur Einhaltung der 1,5°C-Grenze noch etwa die Menge an fossilen Brennstoffen zur Verfügung, die wir aktuell in nur 4 Jahren verbrauchen. Davon müssen wir den laufenden Betrieb aufrecht erhalten und gleichzeitig alles so neu denken, verändern und umbauen, dass wir danach keine fossilen Brennstoffe mehr benötigen und dennoch das Wichtigste zum Leben haben. Dies wäre eine - immer noch kaum ausreichend gerechte - Maßgabe, nach der auch unser Verkehrssystem umzubauen wäre. Hierzu kann die StUB, wie sie derzeit geplant ist, nichts beitragen.
Wenn wir uns nicht auf bestimmte Zeiträume festnageln lassen wollen, dann gäbe es nur noch eine andere zulässige Interpretation der aktuellen Aussagen der Klimawissenschaft: Die Emissionen müssen so schnell sinken, wie irgend möglich. Was das allerdings genau bedeutet, darüber sollten wir unbedingt diskutieren, v. a. auch mit der jungen Generation.
Ob die Klimakrise zu einer Klimakatastrophe wird, entscheidet sich also in diesen Jahren. Viele von uns hätten gerne mehr Zeit, damit die notwendigen Veränderungen halbwegs geregelt umgesetzt werden können. Aber genau dafür muss die unnötige Verschwendung von Energie und Ressourcen in allen Bereichen aufhören. Dadurch würden die Emissionen sofort sinken und genau das brächte uns Zeit. Die jetzt als neue Verkehrsachse mit vielen Betonbauwerken geplante StUB hat mit einer im Klimanotstand angebrachten sparsamen Verwendung von fossilen Ressourcen nichts zu tun.
Das Einsparpotential der westlichen Welt ist sehr groß, auch ohne dass unsere existentiellen Bedürfnisse ernsthaft angetastet werden müssten. Die meisten Einsparmöglichkeiten gehen mit einem Gewinn an Lebensqualität einher, wobei die Verteilungsgerechtigkeit eine äußerst wichtige Rolle spielt.
Die Politik muss aufhören, die Tatsachen des Artensterbens und der Klimakrise zu verdrängen. Und sie muss klar formulieren: Der mit konkreten Forderungen verbundene Erlanger Klimanotstand ist kein Symbol! Er ist ein Hilferuf der jungen Generation. Und ein Appell an die Politik, an die Wirtschaft und jeden einzelnen, sich endlich auf den Weg zu machen.