Warum die StUB nicht “klimaneutral” ist

 

Quelle: https://www.facebook.com/Unsere.StUB/

Quelle: https://www.stadtumlandbahn.de/ueber-stub/

 

Anfang 2023 haben wir eine Klimabilanz zum StUB-Projekt erstellt. Wir wollten abschätzen, welchen Effekt das Projekt auf die voranschreitende Klimakrise und die Einhaltung der international vereinbarten Klimaziele hat. Um diese Fragen zu beantworten, bedarf es des Restbudgetansatzes. Also haben wir diesen in unserer Klimabilanz konsequent umgesetzt.
Vor wenigen Tagen (April 2024) hat der Zweckverband Stadt-Umland-Bahn einige Zahlen und Ergebnisse zu seiner CO2-Bilanz veröffentlicht (siehe ganz unten oder auch hier). Seine Ausführungen unterlegt er mit ansprechenden Illustrationen und Schlagwörtern (siehe oben).

Unser Kommentar dazu:

Die Aussagen des Zweckverbands zu den Auswirkungen des StUB-Projekts auf das Klima sind einseitig und beschönigend: Wissenschaftlich und politisch gesetzte Klimaziele werden weder kommuniziert noch berücksichtigt. Der CO2-Restbudgetansatz wird nicht angewendet. Auch ein Abgleich mit den Reduktionsszenarien der Klimaschutzgesetze findet nicht statt. Stattdessen wird der Öffentlichkeit mittels einer fragwürdigen Amortisationsrechnung eine vermeintlich „klimaneutrale“ StUB angepriesen. Zudem sind die Zahlen aufgrund fehlender Rechenwege und Quellen nicht nachvollziehbar. Damit wird der Zweckverband dem Erlanger Klimanotstand und der sich zuspitzenden Klimakrise in keiner Weise gerecht.

Das wichtigste im Klimanotstand bzw. “Klima-Aufbruch” formulierte Ziel war, die 1,5-Grad-Grenze “auf lokaler Ebene“ einzuhalten, was bedeutet, rasch klimaneutral zu werden und dabei noch maximal eine definierte Restmenge CO2 auszustoßen (CO2-Restbudget). Dieses Ziel wurde mittlerweile gerissen. Mit jedem weiteren Gramm CO2, welches wir verursachen, treiben wir die Erderhitzung also über die 1,5-Grad-Grenze hinaus an und riskieren damit den endgültigen Verlust unsere Lebensgrundlagen.

Die von Erlangen in Auftrag gegebene wissenschaftliche Studie zum Klimanotstand zeigte noch weitere Probleme auf: Neben der Klimakrise schreitet das Artensterben voran, welches ein ebenso gravierendes Problem darstellt und mit der Klimakrise in direkter Wechselwirkung steht. Zudem sollten wir anerkennen, dass unser Planet endlich ist: Das heißt, jede Ressource, die wir verbrauchen, steht anderenorts bzw. anderen Menschen nicht mehr zu Verfügung. Vorschlag der Wissenschaft: Wir sollten die Probleme offen ansprechen, uns gut überlegen, was wir wirklich brauchen, in allen Bereichen so sparsam wie möglich mit den Ressourcen umgehen und diese so gerecht wie möglich verteilen. Weiteres Wachstum auf Kosten der Umwelt sollten wir vermeiden.

Leider wird all das bei der StUB nicht berücksichtigt: Die derzeitige Planung ist unverhältnismäßig aufwendig, missachtet den Naturschutz, plant nicht die erforderlichen Veränderungen mit ein und provoziert weiteres Wachstum. Es gäbe deutlich ressourcenschonendere Alternativen. Dabei wäre der Zweckverband im Besonderen dazu aufgerufen, die genannten Aspekte des Klimanotstands zu kommunzieren und zu berücksichtigen. Schließlich ist er Teil der öffentlichen Verwaltung und plant ein Projekt, welches unsere Stadt und Region zukunftsfähig machen soll.

In unserer Klimabilanz kamen wir zu folgendem Ergebnis: Würde die Stadt Erlangen in allen Bereichen so vorgehen wie beim StUB-Projekt, dann würde die Stadt ihr Klimaziel, also ihren Beitrag zur Klimakrise, bis rund 3,4°C überziehen. Wendet man den Restbudgetansatz auf das Ergebnis der - bisher rechnerisch nicht nachvollziehbaren - Bilanz des Zweckverbands an, dann käme man auf rund 2,7°C. Die Hauptaussage unserer Bilanz gilt also auch für die Bilanz des Zweckverbands: Das derzeit geplante StUB-Projekt trägt nichts zur Erreichung der internationalen Klimaziele gemäß Pariser Abkommen bei. Im Gegenteil: Es verschärft das Klimaproblem für Jahrzehnte. Dies liegt zu einen daran, dass es die StUB noch nicht gibt, zum anderen aber am Verhältnis von Ressourcenaufwand (zu hoch) zu Verlagerungseffekt MIV/ÖPNV (zu niedrig).

Nur über den Restbudgetansatz lässt sich ein Bezug zur Realität der Klimakrise und zu den internationalen Klimazielen herstellen. Wir fordern den Zweckverband daher auf, eine Klimabilanz des StUB-Projekts mit Berücksichtigung des Restbudgetansatzes in Auftrag zu geben. Hierfür sollte ein ökologisch ausgerichtetes Institut mit Klimaschutzexpertise beauftragt werden, welches zudem unabhängig von den bisherigen StUB-Planungen ist. Die Gutachterfirma Intraplan eignet sich in unseren Augen hierfür nicht, siehe unsere Argumente (Unterpunkt GUTACHTER).


Unsere Kritik im Einzelnen:

  • Keine Berücksichtigung des Restbudgets: Erlangen hat den Klimanotstand ausgerufen und beschlossen, das 1,5-Grad-Ziel auf lokaler Ebene einhalten zu wollen. Hierfür wurde der klimawissenschaftlich fundierte CO2-Restbudgetansatz gewählt, der zum Rechnen mit Klimazielen notwendig ist.
    Das Restbudget wird in den Berechnungen des Zweckverbandes gänzlich ignoriert.

  • Verfehlen des 1,5-Grad-Ziels wird nicht kommuniziert: Das Erlanger CO2-Restbudget für das 1,5-Grad-Ziel ist seit spätestens Ende März 2024 verbraucht* – damit wurde das 1,5-Grad-Ziel in Erlangen verfehlt. Es wäre Aufgabe der Stadt Erlangen dies den Erlangerinnen und Erlangern zu vermitteln. Gleichzeitig bedeutet es, dass auch das StUB-Projekt für das Erreichen der 1,5-Grad-Ziels nichts mehr beitragen kann. Es stellt sich die Frage: Zum Einhalten welches “Klimaziels” kann das jetzt geplante StUB-Projekt denn beitragen? Angesichts des in Erlangen anstehenden Bürgerentscheids sollte auch dies von der Politik oder dem Zweckverband kommuniziert werden.

    * Rechnung: Restbudget Anfang 2020: 3,4 Mio. t CO2; Jahresverbrauch im Coronajahr 2020: 797.000 t; verbleibendes Restbudget für 2024 unter der Annahme gleichbleibender Emissionen seit 2020: 3,4 Mio. t – 4 x 797.000 t = 212.000 t; dieses reichte folglich noch etwa für das erste Quartal 2024. Diese Rechnung ist allerdings deutlich zu optimistisch, denn die Emissionen im Corona-Jahr lagen unter dem Durchschnitt und sind danach wieder gestiegen.

  • Amortisation bedeutet nicht „klimaneutral“: Angenommen das StUB-Projekt würde bis 2034 als Ganzes in Betrieb gehen können und die vom Zweckverband angegebene Amortisationszeit würde stimmen: Dann würde sich das StUB-Projekt bis 2044 „amortisieren“. Dies bedeutet jedoch keineswegs, dass das Projekt deswegen „klimaneutral“ wäre, also dem Klima nicht schaden würde. Denn mit einem „Ausgleichen“ (siehe Text auf der CO2-Bubbles-Illustration oben) im Sinne von Reparieren hat Amortisation nichts zu tun. Vielmehr bedeutet sie, dass mit der Realisierung des StUB-Projekts - bevor es effektiv CO2 einsparen kann - genau so viel CO2 freigesetzt wird, wie wenn wir bis 2044 weitermachen würden wie bisher. Die entscheidende Frage ist, ob das o.k. ist.
    Unter Anwendung des Restbudgetansatzes lässt sich abschätzen, was das für das Klima bedeutet: Nach unserer Berechnung würde das Erlanger Restbudget bis knapp 2,7°C überzogen, würden wir in allen Bereichen noch bis 2044 so weiter machen wie bisher (siehe auch unsere Klimabilanz). Das StUB-Projekt ist in der aktuellen Form also keinesfalls nachahmenswert, wenn es um das Erreichen von Klimazielen geht. Die Erlanger Klimanotstandsstudie findet klare Worte schon zu einem “Weiter-so” nur bis 2030: “Wenn es der Erdgemeinschaft erst nach 2030 gelingt, die Treibhausgasemissionen zu bremsen,” […] wären “Entwicklungspfade der Erderhitzung möglich, die bereits 2050 das Ende der Zivilisation bedeuten könnten.” “Die Konsequenzen wären hinsichtlich des Meeresspiegelanstiegs, der Wasserknappheit, Hitze und Dürre bereits 2050 dramatisch und würden die Existenzbedingungen der Menschheit bereits in weniger als 30 Jahren in Frage stellen, Kippelemente wären nicht korrigierbar überschritten, die Weltgemeinschaft würde im Chaos versinken.” (S. 18/19)

  • Amortisationsrechnung über die Pleite hinaus: Die Klimakrise erlaubt es also physikalisch nicht mehr, die Emissionen noch über viele Jahre bis Jahrzehnte zu erhöhen. Denn damit provozieren wir eine nicht mehr kontrollierbare Klimakatastrophe.
    Betriebswirtschaftlich formuliert: In der Situation einer drohenden Pleite helfen Investitionen in Projekte, die sich erst in Jahrzehnten auszahlen, wenig – im Gegenteil, sie beschleunigen die Pleite.
    Oder medizinisch formuliert: Man stelle sich eine Patientin mit stetig steigendem Fieber vor, mittlerweile 42°C. Ein Medikament, das das Fieber erst noch um 2° antreiben und dann stoppen würde, hilft der Patientin nicht, sondern gefährdet ihr Leben.
    Mit der Amortisationsrechnung in einer Klimabilanz rechtfertigen wir CO2-Emissionen in der Gegenwart mit CO2-Einsparungen in der Zukunft, die es nicht mehr geben darf, denn wenn wir unsere Lebensgrundlagen erhalten wollen, dann müssen wir die Emissionen bis dahin massiv gesenkt haben. Der Zweckverband macht genau das beim Erklären seiner Bilanz-Tabelle, siehe unten: „Aus der Tabelle wird ersichtlich, dass die auf Jahresscheiben heruntergerechneten CO2-Emissionen der StUB schon durch die jährlichen Einsparungen der Fahrzeugherstellung überkompensiert werden.“ Dabei bezieht er sich auf die Einsparung von jährlich 1940 t CO2 in der Kfz-Herstellung, welche höher sei als die Ausgaben von 1377 t CO2, also die über die Nutzungsdauer gemittelten Baustellenemissionen für die StUB-Trasse. Die CO2-Emissionen für die Infrastruktur fallen aber nicht über die Jahre gemittelt an, sondern mehr oder weniger schlagartig während der Bauzeit. Die „Überkompensation“ dagegen ist eine Verrechnung mit CO2-Emissionen aus einer Zukunft, in der kaum noch CO2-Emissionen anfallen dürfen. An dieser Stelle sei bemerkt: Die derzeitige Kfz-Herstellung ist derart verschwenderisch (SUV etc), dass sie keinesfalls in die Zukunft fortgesetzt werden muss. Sie darf daher auch nicht als Rechtfertigung dienen, wiederum unnötig hohen Aufwand beim StUB-Trassenbau zu betreiben.

  • Rechtfertigung von übermäßigem Ressourcenaufwand statt Paradigmenwechsel: Das Erlanger Restbudget wird nicht verlängert oder gestreckt werden können. Es ist endgültig aufgebraucht.* Das bedeutet: Mit jedem weiteren Gramm CO2, welches in Erlangen verursacht wird, verstoßen wir gegen das Pariser Abkommen und riskieren den unwiederbringlichen Verlust unserer Lebensgrundlagen. Die Frage ist, wie wir mit dieser Situation umgehen. Die Klimanotstandsstudie von 2020 empfiehlt einen „Paradigmenwechsel“, hin zu einem „generell ressourcenschonenderen Umgang mit Rohstoffen“. Dies bedeutet “ … die Umgestaltung des Vorhandenen, das Verschwinden des Überflüssigen, die Vermeidung von Aufwand, die Reduktion von Energie und Material.” Die derzeitige StUB-Trassenplanung mit neuen Großbauwerken mitten durch geschützte Gebiete vermittelt nicht den Eindruck, dass dieser Grundsatz beim Zweckverband ein große Rolle spielen würde. Vielmehr wird mit einer Amortisationsrechnung versucht, hohen Ressourcenaufwand für neue Infrastruktur mit CO2-Emissionen in der Zukunft aufzurechnen, welche es nicht mehr geben darf und auch nicht muss (Produktion von SUV s.o.)

    * Eine Erhöhung des Erlanger Klimaziels (auf z.B. 1,75 oder 2 Grad) ist nicht zu verantworten, denn schon eine globale Erderhitzung auf 1,5 Grad bringt unkalkulierbare Risiken mit sich. Auch ein Aufweichen der in die Berechnung des Restbudgets eingeflossene Faktoren (Erreichungswahrscheinlichkeit des Klimaziels von 66%; Klimagerechtigkeit seit dem Jahr des Pariser Abkommens 2015), wodurch das Restbudget gestreckt würde, ist ethisch fragwürdig.

  • Nächstes Ziel - Erlangen klimaneutral 2030 - wird auch ignoriert: Erlangen hat im Klima-Aufbruch noch ein weiteres Klimaziel vereinbart, welches weniger wissenschaftlich hinterlegt als eher symbolischer Natur ist: Klimaneutralität bis 2030. Auch hierfür kann das StUB-Projekt, welches die Emissionen effektiv noch bis 2044 hoch halten würde, offensichtlich keinen Beitrag leisten.

  • Kein Abgleich mit Klimaschutzgesetzen: Darüber hinaus gibt es juristisch fixierte Klimaziele: Nach dem deutschen Klimaschutzgesetz soll Deutschland 2045 klimaneutral sein. Bayern hat sein eigenes Klimaschutzgesetz und will schon 2040 netto null erreichen. In beiden Fällen wurde durch das Setzen von Zwischenzielen für 2030 ein grob lineares Sinken der Emissionen bis auf null festgeschrieben. Auch hier ist offensichtlich, dass ein Projekt, welches die Emissionen effektiv noch bis 2044 hoch hält, diese Reduktionsszenarien per se nicht erleichtert, sondern erschwert: Um den Reduktionsszenarien als Ganzes gerecht zu werden, müssten die überdurchschnittlich hohen Emissionen im Bereich des StUB-Projekts an anderer Stelle durch schärfere Reduktionsszenarien eingespart werden.


Einschub: Die Amortisationsrechnung mittels Mit- und Ohnefall

Für die Amortisationsrechnung folgt der Zweckverband dem Schema der Standardisierten Bewertung: Hier werden im betrachteten Verkehrsraum jeweils die Emissionen im Falle einer Realisierung des StUB-Projekts (Mitfall) mit einem Szenario ohne StUB-Projekt (Ohnefall) verglichen.

Für den Ohnefall wird folgende Annahme gemacht: Die Emissionen im betrachteten Zeitraum bleiben in allen Bereichen (Fahrzeugherstellung, Betriebsemissionen etc.) konstant hoch. Beispielsweise wird für den Pkw-Ausstoß der Fahrzeugbestand/Flottenmix von 2030 zu Grunde gelegt.

Im Mitfall ergibt sich folgender Verlauf: Bis 2034 liegen die Emissionen durch den Bau der Trasse höher als im Ohnefall. Mit Inbetriebnahme der StUB im Jahr 2034 werden 2% des Autoverkehrs auf StUB und Busse verlagert. Dadurch fallen die Emissionen in diesem Bereich auf nahe null. Die restlichen 98% des Autoverkehrs und dessen Emissionen bleiben vom StUB-Projekt unberührt, also konstant hoch. Die Gesamtemissionen liegen also ab 2034 etwas niedriger als im Ohnefall. Die Amortisationszeit beginnt.

Aus dem Vergleich der über die Jahre aufsummierten Emissionen in Mit- und Ohnefall ergibt sich die Amortisationszeit: Ab dem Jahr 2044 haben sich die Einsparungen gelohnt: Die Emissionen liegen effektiv niedriger. Das bedeutet aber im Umkehrschluss: Bis 2044 liegen die Emissionen mit dem Projekt effektiv höher als ohne. Und: Das durchgerechnete Szenario ist keine Lösung: 98% des Autoverkehrs mit einem CO2-Ausstoß auf dem Niveau von 2030 bestehen bis 2044 fort. Es ist also ein Szenario welches in die Klimakatastrophe führt und daher nicht eintreten sollte.


Diese Art von Amortisationsrechnung halten wir aus mehreren Gründen für unzulässig und nicht mehr zeitgemäß:

  • Juristisch angreifbare Rechnung: Die Rechnung mit Szenarien ohne ausreichenden Klimaschutz dürften zunehmend juristisch anfechtbar werden: Im Ohnefall wird ja vorweggenommen, dass Klimaziele nicht eingehalten werden, obwohl die Politik den Auftrag hat, zumindest einen gewissen Klimaschutz zu garantieren (Klimaschutzgesetze). Im Mitfall wird ein Verletzen der Klimaziele sogar konkret geplant. Dieses Vorgehen könnte juristisch anfechtbar sein, solange nicht parallel Einsparungen geplant werden, die in Summe zum Einhalten der Szenarien aus den Klimaschutzgesetzen führen.

  • Diese Rechnung hemmt Veränderungen: Die Rechnung mit klimapolitisch unzulässigen Zukunftsprognosen führt auch verkehrspolitisch in die Sackgasse: Denn mit ihr preist der Zweckverband eine Lösung an, die keine ist: Um den erforderlichen CO2-Reduktionsszenarien nachzukommen, ist die Klimabelastung im Bereich des StUB-Projekts mit dem Bau neuer Infrastruktur und erst anschließendem Umstieg auf StUB und Busse viel zu hoch. Für die restlichen 98% des Autoverkehrs wird auf unbestimmte Zeit gar keine Veränderung unterstellt, was bekanntermaßen auch keine Lösung ist.
    Die Annahme, dass sich ohne bzw. parallel zum StUB-Projekt gar nichts ändert, führt aber dazu, dass auch so geplant wird, dass sich nichts ändert: Die StUB wird ja genau aus dem Grund nicht auf bestehenden Verkehrsachsen geplant, weil dort weiterhin unverändert viele (oder sogar noch mehr) Autos fahren sollen.

Es besteht aus mehreren Gründen ein hohes Risiko, dass sich die StUB-Trasse entgegen der Ausführungen des Zweckverbands erst sehr viel später oder nie „amortisiert“:

  • Sinkende Emissionen im Laufe der Amortisationszeit: Durch die Annahme konstant hoher Emissionen wird die Amortisationszeit systematisch zu kurz gerechnet. Schließlich besteht vor dem Hintergrund der existierenden Klimaschutzgesetze durchaus die Möglichkeit, dass die Emissionen in den nächsten 2 Jahrzehnten durch eine Kombination von Verhaltensänderungen und technischen Fortschritten erheblich sinken werden. Auch von der Stadtverwaltung Erlangen wird mittlerweile kommuniziert, dass der Bau neuer Infrastruktur, z.B. der StUB-Trasse lange dauern wird und daher schon vorher Veränderungen notwendig sind (siehe Forum Mobilität, 9. Sitzung, Januar 2024, TOP 2.1.). Durch entsprechende Maßnahmen kann sich die Amortisationszeit des StUB-Projekts schnell ins Unendliche verlängern, denn durch die vorher sinkenden Emissionen würde das StUB-Projekt Jahr für Jahr weniger einsparen.

  • Zeitverzug: Die vielen Großbauwerke in teils schwierigen Bereichen (ICE-Trasse, Unterführung Autobahn, Schwemmland des Wiesengrundes) bergen ein nicht unerhebliches Risiko von Planungs- und Bauverzögerungen. Jeder zeitliche Verzug wird die Amortisationszeit aus oben genannten Gründen weiter verlängern.

  • Wachstumsprognosen: Der Amortisationsrechnung werden nicht die heutigen Verkehrszahlen zugrunde gelegt, sondern die in der Zukunft erwarteten. Auch in Erlangen wird immer noch ein weiterer Anstieg des Autoverkehrs von rund 0,5 bis 1% prognostiziert und das trotz Klimanotstand bzw. Klima-Aufbruch, in dem die Notwendigkeit einer raschen Abnahme des Autoverkehrs festgestellt wurde (50% und mehr schon vor 2030). Durch diese Prognosen werden in der Amortisationsrechnung Emissionen eingespart, die es heute noch gar nicht gibt. Sollten die Steigerungen wider der Prognosen nicht eintreten, würde sich auch hierdurch die Amortisationszeit verlängern.

  • Möglicherweise zu niedrig angesetzte Baustellenemissionen: Der Zweckverband rechnet mit Baustellenemissionen für die StUB-Trasse von rund 62.000 bis 80.000 t CO2. Bei 26 km Trassenlänge entspricht dies rund 2400 bis 3000 t CO2 pro Kilometer Trasse. In unserer Bilanz von 2023 haben wir die Baustellenemissionen auf grob 250.000 t CO2 geschätzt unter Berufung auf einer Berliner Studie, in der die Emissionen für den Trassenbau von Straßenbahnen auf 7.600 (Schotter-/Rasengleis) bis 10.850 t CO2 (Betonbett) pro Kilometer angegeben sind. Die Werte des Zweckverbands und die der Berliner Studie unterscheiden sich damit grob um den Faktor 3 bis 4. Beide geben als Quelle die Datenbank ÖKOBAUDAT an.

    Der Zweckverband hält die Berliner Werte für nicht auf die StUB-Trasse übertragbar, da in Berlin mit hohen Pauschalen für die Verlegung von Leitungen gerechnet worden sei, die für die StUB-Trasse nicht im gleichen Ausmaß anfallen würden. Zudem sei die Haltestellenzahl pro Kilometer geringer. Des Weiteren sei in Berlin von einem Beton mit zu hoher Festigkeit ausgegangen worden. Zum Teil können wir die Kritik des Zweckverbands nachvollziehen. Teilweise hatten wir die Unterschiede aber auch schon im Rahmen unserer Klimabilanz diskutiert. Wo die großen Unterschiede zwischen den Berliner und Erlanger Zahlen herrühren, wird sich erst klären lassen, wenn die endgültige Bilanz des Zweckverbandes vorliegt.

    Wir möchten wiederholt anmerken, dass bei der Berliner Studie (Referenztrasse im Zentrum von Berlin) - anders als beim StUB-Projekt - keinerlei neue Brücken- oder Unterführungsbauwerke, Brückenersatzbauten, Wendeschleifen, P&R-Parkplätze, Hochwasserschutzbauten, Umbau Bundesstraße etc. berücksichtigt werden mussten. Gänzlich unberücksichtigt bleiben in den Bilanzen bisher auch die Verluste von CO2-Senken durch neue Bodenversiegelung und Baumrodungen.

  • Falsche Hoffnungen: Der Zweckverband führt an, die Baustellenemissionen könnten sich noch verringern, da potenzielle Einsparungen durch Entwicklungen in der Beton- bzw. Zementtechnologie nicht berücksichtigt seien. Es ist jedoch hinlänglich bekannt, dass die Emissionen in der Zementindustrie sehr hoch sind und eine Entwicklung hin zu emissionsarmen Baustoffen lange dauern wird. In der Klimanotstandsstudie wird daher explizit empfohlen, Beton als Baustoff soweit möglich zu vermeiden.


Es gibt Möglichkeiten, den Schienenverkehr deutlich ressourcenschonender auszubauen:

  • Unnötige Großbauwerke: Besonders klimaschädlich ist die Trassenführung von den Erlanger Arcaden zum Schulzentrum West. In diesem Streckenabschnitt (2 km) plant der Zweckverband eine Untertunnelung der ICE-Gleise/Friedrich-List-Straße, eine Unterführung der A73 und die neue 1,5 km lange Regnitztalquerung. Knapp ein Drittel* der gesamten Baustellenemissionen der StUB-Trasse (26 km) entstehen beim Bau der genannten Großbauwerke in diesem Abschnitt. Diese Bauten sollten daher sowohl aus Natur- und Klimaschutzgründen vermieden werden. Dies wäre möglich. Die StUB könnte über bestehende Brücken geführt werden. Alternativ könnte Herzogenaurach statt mit der StUB auch mit der Reaktivierung der Aurachtalbahn ans Schienennetz angebunden würde.
    * Der Zweckverband nannte auf einer öffentlichen Stadtteilbeiratssitzung in Alterlangen einen Anteil von 29%.

  • Weiteres Wachstum auf Kosten von Umwelt und Klima: Überdurchschnittlich hoch dürften bei der jetzt geplanten StUB-Trasse auch die Schäden für Klima und Umwelt durch Wachstumsanreize ausfallen (Erschließung neuer Baugebiete, Konsumanreize, Planung von zusätzliche Verkehrsflächen für insgesamt mehr Verkehr). Sie sind in der Klimabilanz eines einzelnen Infrastrukturprojekts wohl schwer zu berücksichtigen. Dennoch stellen sie den Nutzen der jetzt geplanten StUB-Trasse für das Klima ganz grundsätzlich in Frage.

 


 

Die Ausführungen des Zweckverbands unter den FAQ auf www.stadtumlandbahn.de (Stand 14. April 2024)

Die Bauemissionen der StUB werden sich nach unter 10 Jahren durch die jährlichen Einsparungen amortisieren.

Für die Stadt-Umland-Bahn wird eine CO2-Bilanz durch das externe Unternehmen Intraplan erstellt. Um die Realität dabei bestmöglich abzubilden, werden in dieser fundierten Form der CO2-Untersuchung die genauen Massen aller Materialien für alle Bauwerke berücksichtigt. So verursachen z.B. unterschiedliche Betonarten auch unterschiedliche Größen an CO2-Äquivalenten. Die genauen benötigten Mengen der einzelnen Materialien stehen allerdings erst zum Ende der Entwurfsplanung fest.

Um bereits jetzt eine Aussage über die Amortisationszeit der StUB treffen zu können, werden die von uns ermittelten Massen nach Materialart für den Bau der StUB auf dem Niveau der Vorplanung sowie die Werte für die CO2-Einsparung durch den Betrieb und die eingesparten Fahrzeugkilometer genutzt. Alle Werte zu CO2-Äquivalenten entstammen der Datenbank ÖKOBAUDAT des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (www.oekobaudat.de).

Ausgehend vom aktuellen Planungsstand, der u.a. auch der Standardisierten Bewertung zu Grunde liegt, verursacht der Bau der StUB 61.688 t CO2-Äquivalente für die Herstellung der Infrastruktur. Demgegenüber bestehen Einsparungen von jährlich 8473 t CO2-Äquivalenten aus Betrieb und Fahrzeugherstellung. Damit ergibt sich eine CO2-Amortisation von rund 7 Jahren.

Die Werte der Standardisierten Bewertung enthalten noch nicht alle Details der finalisierten Planung. Außerdem sind Emissionen für die bauzeitliche Verkehrsführung, den Bau von Provisorien und die Spartenverlegungen nur als Pauschalen enthalten. Selbst wenn aus den noch vorhandenen Planungsspielräumen 30% mehr Emissionen resultieren würden, ergäbe sich mit 80.194,4 t CO2-Äquivalenten ein Wert für den Bau der StUB-Infrastruktur, der zu einer Amortisationszeit von 9,5 Jahren führen würde. Deshalb sprechen wir von einer Amortisation von unter 10 Jahren.

Woraus ergeben sich die jährlichen Einsparungen?

Basis für die Ermittlung der Einsparungen ist die Verlagerung von PKW-Kilometern. Mit der StUB werden jährlich 47 Mio. PKW-Kilometer auf den ÖPNV verlagert. Damit einher gehen Reduzierungen im CO2-Ausstoß durch PKW-Verkehr. Außerdem berücksichtigt die Standardisierte Bewertung Einsparungen dadurch, dass bei weniger Fahrleistung pro PKW der Ersatz des Autos später erfolgt und dadurch Einsparungen in der Fahrzeugherstellung reduzieren. Auch Einsparungen für Betrieb und Bau von Bussen sind hier berücksichtigt. Dabei wird immer der Mitfall (Verkehr inkl. StUB) mit dem Ohnefall (Verkehr ohne StUB) verglichen (Saldobetrachtung). Außerdem sind in der Standardisierten Bewertung im Rahmen einer Annuitätenbetrachtung alle Werte auf Jahresscheiben (bei den Bauemissionen nach Nutzungsdauer) umgerechnet. Konkret setzen sich die Zahlen (in t CO2-Äquivalente) wie folgt zusammen:

 
 

Aus der Tabelle wird ersichtlich, dass die auf Jahresscheiben heruntergerechneten CO2-Emissionen der StUB schon durch die jährlichen Einsparungen der Fahrzeugherstellung überkompensiert werden.

Folgende Rahmenbedingungen sind in dieser Betrachtung zu berücksichtigen:

  • Bei den Einsparungen im ÖPNV sind bereits 100% Elektrobusse für den Stadtverkehr unterstellt

  • Der Bund hat für die Standardisierte Bewertung Verbrauchs- und Emissionswerte für die einzelnen Verkehrsarten festgelegt, die einen Fahrzeugbestand bzw. Flottenmix im Jahre 2030 zu Grunde legen, der den dann geltenden Grenzwerten entspricht. Es ist also bereits ein deutlich schadstoffärmerer PKW-Bestand unterstellt, als gegenwärtig auf den Straßen unterwegs ist.

  • Potenzielle Einsparungen durch Entwicklungen in der Beton- bzw. Zementtechnologie sind nicht berücksichtigt.

  • Die Standardisierte Bewertung beinhaltet eine konservative Betrachtung der Verkehrsverlagerung. Diese ist bei realisierten Projekten regelmäßig deutlich höher, was auch die Amortisationszeit der StUB dann noch einmal verkürzen würde.

 


 
Christine Höfer-Kliesch