Unsere Forderungen an den Erlanger Stadtrat

  1. Wir fordern den Erlanger Stadtrat auf, die Planun­gen der StUB zu den Trassenvarianten mitten durch den Erlanger Wiesengrund (Wöhr­mühlbrücke und Kos­bacher Brücke) unverzüglich zu stoppen.

  2. Wir fordern die Stadt auf, sich der öffentlichen Diskussion über die Sinnhaftigkeit einer neuen 1,6 km langen Betontrasse mitten durch ein Land­schaftsschutzgebiet mit wertvollen Biotopen in Zei­ten der globalen ökologischen Krise zu stellen.

  3. Wir fordern eine sachlich fundierte und transparente Begründung, wie der ökologische Nutzen, den die StUB vor­geblich bringen wird, den ökologischen Schaden, den der Bau der Vor­zugs­trasse konkret verur­sacht, rechtfertigen soll.

  4. Die beim Trassenbau ent­ste­hen­den Schäden für das globale Klima (Verarbeitung von Beton und Stahl, Emissionen der Bau­fahr­zeu­ge, Verluste von CO2-Senken durch Baum­fäl­lun­gen und verbaute Böden usw.) müssen be­rech­net wer­den und in den Vergleich der Strecken­va­rian­ten mit einfließen.

  5. In die Berechnung der erwarteten CO2-Einsparung der StUB muss ein für die 1,5°C-Grenze erforderliches Reduktionsszenario mit ein­fließen.

  6. Der Ausbau des ÖPNV muss so ressourcenschonend wie möglich erfolgen. Ein Tras­senbau durch den Wiesengrund verbietet sich sowohl aus Gründen des lokalen Naturschutzes als auch aus Gründen der Klimakrise.

  7. Der Erlanger Stadtrat muss drin­gend all seinen politischen Einfluss und alle seine Mög­lich­keiten ausschöpfen, um baldmöglichst die ernst­hafte Prüfung einer Aurachtalbahn-Reak­ti­vie­rung herbeizuführen.

  8. Die Stadt muss die Sackgasse, in der sich die StUB-Planung befindet, zum Anlass nehmen, sich mit allen ihren politischen Möglichkeiten da­für einzusetzen, dass die bundeseinheitlichen Bewertungsverfahren von Ver­kehrs­projekten (Stan­dar­di­sierte Bewertung bzw. Nutzen-Kosten-Analyse) grund­le­gend re­for­miert werden. Sie müssen end­lich in kon­sequenter Wei­se die planetaren Gren­zen be­rück­sichtigen. Eine solche Reform hät­te den Stopp vieler Straßenbauprojekte zur Fol­ge und - durch die freiwerdenden Res­sour­cen - einen An­schub für Schienenprojekte wie die StUB.

  9. Der Zweckverband ist anzuweisen, alle Geschäfts­ver­bin­dungen mit der Intraplan Consult GmbH (ITP) zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu kündigen. Die von ITP er­stell­ten Prognosen und Gutachten gefährden unsere Lebens­grundlagen und dürfen daher für die StUB-Planungen nicht mehr berücksichtigt wer­den. Es sind keine Aufträge mehr an ITP zu erteilen, solange die Standardisierte Bewertung nicht so reformiert wurde, dass das Arten­sterben und die 1,5°C-Grenze in ehrlicher und konse­quen­ter Weise berücksichtigt werden. Ebenso müssen alle Formen der Diskontierung beendet werden, welche das Wohlergehen kommender Genera­tio­nen gefährden. Die Stadt soll die genannten Schrit­te mit den Verpflich­tun­gen begründen, die der Stadt Er­lan­gen durch den Klima­not­stand entstehen. Die­ser muss als Auftrag ge­sehen werden, auch über die Stadtpolitik hin­aus Zeichen für einen sub­stan­ziel­len Wandel zu setzen.

  10. Wir fordern den Erlanger Stadtrat auf, die drin­gende Notwendigkeit eines Paradigmen­wechsels in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu erkennen und die dafür erforderlichen Ver­änderungen klar zu benennen. Die Ausrufung des Klima­notstands darf kein Symbol bleiben!


Hintergründe

  1. Wir fordern den Stadtrat auf, die Planun­gen der StUB zu den Trassenvarianten mitten durch den Erlanger Wiesengrund (Wöhr­mühlbrücke und Kos­bacher Brücke) unverzüglich zu stoppen.

    Das Kernanliegen unserer Bürgerinitiative ist die Be­wah­rung des Erlanger Wiesengrundes vor einer wei­te­ren Zerschneidung durch eine neue Haupt­verkehrs­achse. Der StUB-Trassenbau mitten durch den Wie­sen­grund verbraucht in unnötigem Ausmaß Material, Ener­gie und Flächen. Er bedroht wertvolle Biotope mit ihren Pflanzen und Tieren. Er zer­stört Naherholungs­ge­biet und eine geschützte Land­schaft. Er gefährdet eine attraktive, weil natur­na­he, nicht motorisierte Ver­kehrs­achse, während der Auto­verkehr auf den Stra­ßen bestmöglich verschont bleibt. Ein auf die­se Weise voran­getriebener Ausbau des ÖPNV ver­schärft das Ar­tensterben und sehr wahrscheinlich - anders als all­gemein erhofft - auch die Klimakrise. Da­mit ist er kein Bei­trag zur Lösung der globalen Pro­bleme.

    Dass die StUB nicht auf einer der vorhandenen Brü­cken über das Regnitztal geplant wird, son­dern über ein neues Betonbauwerk mitten durch die Natur, ist kein Zufall. Die neue Trasse ist eine Ab­kür­zung und da­mit Ausdruck eines dogmatischen Wachs­tums­denkens ohne Rücksicht auf unsere Res­sourcen und Lebens­grundlagen. Dadurch wird die jetzt ge­plan­te Vor­zugstrasse zu einem sehr an­schau­lichen Bei­spiel für die katastrophalen Auswir­kun­gen einer öko­lo­gisch verfehlten Bundesverkehrs­politik auf ein ur­sprüng­lich nachhaltig gedachtes Projekt.

    Artensterben und Klima­krise sind mittlerweile so weit fortge­schrit­ten, dass sie nicht mehr - wie derzeit in Erlangen - gegen­einander ausgespielt werden dürfen. Sie sind zu sehen als zwei Symptome genau einer Krank­heit, nämlich unseres ungebremsten Wachs­tums auf einem end­lichen Planeten.

    Um in Erlangen eine ökologisch sinnvolle Straßen­bahn zu installieren, müssen ganz offensichtlich die po­litischen Voraussetzungen geändert werden. Bun­des­weit werden auch viele andere Ver­kehrs­projekte auf ökologisch nicht vertretbare Weise um­ge­setzt. Ein Paradigmenwechsel in der deut­schen Ver­kehrspolitik ist daher dringend und unabdingbar. Um diesen vo­ran­zubringen, sind JETZT in Erlangen die not­wen­di­gen politischen Entscheidungen zu tref­fen. Mit der Aus­ru­fung des Klima­notstands hat sich die Stadt Er­lan­gen ex­plizit dazu verpflichtet, auch über die Gren­zen Erlangens hin­aus für die 1,5°C-Gren­ze zu werben und ent­spre­chende Zeichen zu setzen.

  2. Wir fordern die Stadt auf, sich der öffentlichen Diskussion über die Sinnhaftigkeit einer neuen 1,5 km langen Betontrasse mitten durch ein Land­schaftsschutzgebiet mit wertvollen Biotopen in Zei­ten der globalen ökologischen Krise zu stellen.

    Viele Erlanger sind besorgt angesichts der erheb­li­chen Umweltschäden, welche der Bau der jetzt ge­plan­ten Vorzugstrasse verursachen würde. Gleich­zei­tig wird auch die Klimakrise als zunehmend wich­tiges Problem erkannt, das einen Ausbau des ÖPNV drin­gend macht. Die Festlegung auf eine ökologisch frag­würdige Vorzugstrasse hat in Erlangen also zu einem scheinbaren Dilemma zwischen Natur­erhalt und Kli­ma­schutz geführt. Dies wirft einen er­heb­lichen Dis­kus­sionsbedarf auf.

    Fördermittel vom Bund gibt es für die StUB - aufgrund einer nicht mehr zeitgemäßen Wirtschaftlich­keits­prü­fung - einzig und allein für eine Trassen­führung mitten durch den Wie­sen­grund. Da­durch ist eine Diskussion über den Stre­ckenverlauf nicht mehr möglich, ohne das Ge­samt­pro­jekt in Frage zu stellen. Auch die Dis­kussion über die ur­sächliche Förderpolitik wird, zu­min­dest bezüglich der StUB, als nicht mehr zielführend er­achtet, weil das Erreichen von Änderungen als zu lang­wierig und letzt­lich aus­sichtslos gilt. Erlaubt blei­ben muss in die­ser Situation aber die Diskussion da­rüber, ob das Ge­samt­ergebnis für Erlangen - oder zu­mindest für die glo­balen Um­welt­probleme - vorteilhaft ist. Und wenn nicht, welche anderen Lösungen es noch gibt. Hie­rüber fordern wir eine sachlich fundierte Dis­kussion, die auch der Öffent­lichkeit eine objektive Beurteilung und Mitent­scheidung ermöglicht.

  3. Wir fordern die Stadt auf, sachlich fundiert und transparent zu begründen, wie der ökologische Nutzen, den die StUB vor­geblich bringen wird, den ökologischen Schaden, den der Bau der Vor­zugs­trasse konkret verur­sacht, rechtfertigen soll.

    Von den möglichen Querungen über den Regnitz­grund ver­ursachen die Wöhrmühlbrücke und die Kos­ba­cher Brücke die mit Abstand größten lokalen Um­welt­schä­den. Dies ist das eindeutige Ergebnis der Um­welt­prü­fung zum Raumordnungsverfahren. Der Öf­fentlich­keit wird die StUB mit der jetzt geplanten Vor­zugs­trasse jedoch weiterhin als ökologisch wertvolles Projekt ver­mittelt - trotz eines neuen 1,5 km langen Be­ton­brücken­bauwerks mitten durch Erlangens größ­tes Landschaftsschutzgebiet.

    Diese Behauptung muss in der jetzt entstandenen Si­tua­tion gut begründet und nachvollziehbar sein. Die bisher veröffentlichten Zahlen und Tabellen erfüllen dies in keiner Weise. Erstens sind die angeführten CO2-Werte kaum aussagekräftig, da die Klimabilanz der StUB völlig unzureichend untersucht ist. Und zwei­tens werden in den Vergleichstabellen die Punkt­wertungen der Umweltschäden mit Punkten aus ande­ren Sachthemen vermischt. Eine Transparenz bzgl. der ökologischen Schäden ist nicht gegeben.

  4. Wir fordern: Die beim Trassenbau ent­ste­hen­den Schäden für das globale Klima (Verarbeitung von Beton und Stahl, Emissionen der Bau­fahr­zeu­ge, Verluste von CO2-Senken durch Baum­fäl­lun­gen und verbaute Böden usw.) müssen be­rech­net wer­den und in den Vergleich der Strecken­va­rian­ten mit einfließen.

    Gegenüber der Öffentlichkeit werden die beim Tras­sen­bau ent­stehen­den lokalen Umweltschäden ge­recht­fertigt mit einem positiven Effekt der StUB auf das Weltklima. In Tabellen zum Streckenvergleich wird die Wöhrmühl­trasse mit ihrer 1,5 km langen neuen Be­tonbrücke angepriesen als die klimafreund­lichste Va­riante. Einer Streckenführung über den be­stehen­den Büchenbacher Damm* wird das ge­rin­g­ste CO2-Ein­sparpotential zuge­sprochen. Diese Aus­sa­ge ist un­haltbar. Sie rührt unter anderem daher, weil die beim Bau der StUB-Trasse entstehen­den Klimagase gar nicht un­ter­sucht werden und somit unberücksichtigt blei­ben.

    * Für einen Streckenverlauf über den Büchenbacher Damm ist unbedingt eine Führung auf der beste­hen­den vierspurigen Brücke zu planen, nicht parallel dazu auf einer neuen Brücke!

  5. Wir fordern: In die Berechnung der erwarteten CO2-Einsparung der StUB muss ein für die 1,5°C-Grenze erforderliches Reduktionsszenario mit ein­fließen.

    Bei der Berechnung der CO2-Ersparnis, die die StUB in 10 Jahren erzielen könnte, wird davon ausge­gan­gen, dass sich der Verkehr und seine Emissionen bis dahin nicht wesentlich geändert haben oder sogar ge­stiegen sind. Ein solches Szenario ist mit dem Ein­hal­ten der 1,5°C-Grenze absolut unvereinbar und be­deu­tet unzumutbare Umweltschäden für die kommenden Gene­ra­tio­nen. Da die StUB noch nicht fährt und dann, wenn sie fährt, auch nur einen kleinen Beitrag zur Ver­kehrs­wende leisten kann (einstelliger Pro­zent­wert), wird der größte Beitrag zur CO2-Reduktion durch an­de­re Maß­nahmen erreicht werden müssen (Um­stieg auf Bus, Fahrrad, Elektro­mo­bi­lität, Ver­mei­dung von Fahr­ten etc.).

    Die CO2-Einsparung der StUB resultiert aus der Ver­lagerung eines prozentualen Anteils des PKW-Ver­kehrs auf die Schiene. Er hängt damit immer vom ge­ra­de herrschenden PKW-Verkehr und dessen Emis­sionen ab. Diese müssen daher gemäß einem Reduk­tionsszenario abgeschätzt werden.

    Die aktuell veröffentlichten Werte entsprechen am ehesten der Einsparung einer StUB, als würde sie schon heute losfahren. Damit sind sie viel zu hoch.

  6. Wir fordern: Der Ausbau des ÖPNV muss so ressourcenschonend wie möglich erfolgen. Ein Tras­senbau durch den Wiesengrund verbietet sich sowohl aus Gründen des lokalen Naturschutzes als auch aus Gründen der Klimakrise.

    Die Klimakrise ist mittlerweile ein höchst akutes Pro­blem mit dringendem Handlungsbedarf. Die CO2-Emis­sionen - auch die im Verkehr - müssen schnell sin­ken. Der Bau der Vorzugstrasse mit langen Brü­cken­bauwerken und teilweise tunnelartigen Unter­füh­rungen setzt große Mengen an Treibhausgasen frei. Dem Klima wird dadurch erst einmal geschadet. Be­vor die StUB diese Emissionen durch ihre Ein­spa­run­gen im Betrieb wieder hereingeholt hat, um ab dann über­haupt einen positiven Klimaeffekt haben zu kön­nen, werden nach unserer Einschätzung ab heute min­destens 20 Jahre vergehen. Und dies gilt auch nur in einem völlig ungenügenden CO2-Reduktions­sze­na­rio. In einem für die 1,5°C-Grenze notwendigen Sze­na­rio können die CO2-Emissionen der Baustelle höchst­wahrscheinlich überhaupt nicht mehr herein­ge­fahren werden. Zur Bewältigung der Klimakrise kommt der Beitrag der StUB in der jetzt geplanten Form somit eindeutig zu spät. Er kann daher auch nicht als Recht­fertigung dienen, diejenige Trasse mit den maximalen lokal-ökologischen Schäden zu rea­li­sieren.

  7. Wir fordern: Der Erlanger Stadtrat muss drin­gend all seinen politischen Einfluss und alle seine Mög­lich­keiten ausschöpfen, um baldmöglichst die ernst­hafte Prüfung einer Aurachtalbahn-Reak­ti­vie­rung herbei­zuführen.

    Den Autoverkehr von Nürnberg nach Erlangen durch die Installation einer Straßenbahn auf zwei Spuren der bestehenden B4 (nicht neben dieser) auf die Schiene zu verlagern, erscheint sinnvoll.

    Die Realisierung einer Schienen­verbindung von Er­lan­gen nach Herzogen­au­rach über einen ressourcen­fres­sen­den Trassenneu­bau mitten durch die Biotope des Wie­sengrundes und wei­ter übers freie Feld halten wir da­gegen für öko­lo­gisch wi­dersinnig. Den größten Bei­trag zur Lö­sung der Klima­krise kann ein Ausbau des ÖPNV dann bringen, wenn er schnell und ohne großen Ressour­cen­ver­brauch rea­li­sierbar ist. Beides könnte die Re­ak­tivierung der Au­rach­talbahn erfüllen. Eine ent­spre­chen­de Ver­bin­dung könn­te zudem das Herzogen­auracher Zentrum und mit Schaeffler den größten dort ansässigen Arbeitgeber mit einer kürzeren Fahrzeit (S-Bahn) an das S-Bahn-Netz der Metropolregion an­schlie­ßen, als die StUB über die Vorzugs­trasse.

  8. Wir fordern: Nehmen Sie die Sackgasse, in der sich die StUB-Planung befindet, zum Anlass, sich mit allen Ihren politischen Möglichkeiten da­für einzusetzen, dass die bundeseinheitlichen Be­wertungsverfahren von Ver­kehrs­projekten (Stan­dar­di­sierte Bewertung bzw. Nutzen-Kosten-Ana­lyse) grund­le­gend re­for­miert werden. Sie müssen end­lich in kon­sequenter Wei­se die planetaren Gren­zen be­rück­sichtigen. Eine solche Reform hät­te den Stopp vieler Straßenbauprojekte zur Fol­ge und - durch die freiwerdenden Res­sour­cen - einen An­schub für Schienenprojekte wie die StUB.

    Alle Infrastrukturprojekte, die wie die StUB von ei­ner För­derung über das Gemeindever­kehrs­finan­zie­rungs­gesetz (GVFG) abhängig sind, werden mit der Stan­dar­di­sierten Bewertung - einer Form der Nutzen-Kos­ten-Ana­lyse (NKA) - geprüft. Auch die Pro­jekte des Bun­des­verkehrs­wegeplans (BVWP) werden mit einer NKA bewertet. Die beiden NKA-Verfahren sind sich ähnlich. Die Standardisierte Be­wertung orien­tiert sich an der NKA des BVWP. Viele Para­meter wur­den ver­ein­heit­licht. Beide Verfahren werden von den ­selben Beratern weiterentwickelt.

    Die Be­deu­tung der Nutzen-Kosten-Analyse im Ver­kehr geht also weit über die StUB hinaus. Mit ihr wird auch der im­mer noch voran­schreitende Aus­bau von Fern­stra­ßen begründet.

    Einfluss der Nutzen-Kosten-Analyse auf die StUB

    Eine ökologisch sinnvolle Trasse für die StUB zu fin­den, scheitert bisher an der Standardisierten Be­wer­tung. Gemäß dieser Wirtschaftlichkeitsprüfung gibt es in Erlangen nur eine einzige rentable Mög­lich­keit eine Straßenbahn zu bauen, nämlich die mit einer neuen Ver­kehrstrasse mitten durch den Wie­sen­grund. Die Logik dahinter ist das Streben nach Gewinn bzw. Wachs­tum. Eine Ab­kürzung durch den Wiesengrund würde den Nutzern Zeit sparen. Zeit = Geld = Ge­winn/ Wachstum. Nur zu­sammen mit dem geld­wer­ten Vorteil dieses Zeit­gewinns über den Wie­sen­grund Richtung Stadtwesten lassen sich die als Ein­zel­maß­nahmen „un­rentablen“ Strecken von Nürn­berg nach Erlangen oder von Er­langen ins Schwa­bachtal zu einem ren­tab­len Groß­projekt - der StUB - verbinden. Die Wirt­schaft­lichkeit wird zusätzlich durch Wachs­tums­pro­gno­sen erreicht, die ökologisch höchst frag­würdig sind: steigende Flug­gastzah­len am Flug­hafen Nürn­berg, wachsender Kon­sum in den Outlet-Shops in Herzo Base und zu­neh­mender Verkehr ins­gesamt.

    Keine vernünftigen Kennzahlen zur Klimawirkung

    Was der Nutzen-Kosten-Faktor (Ergebnis der NKA) jedoch völlig un­zu­rei­chend oder gar nicht abbildet, sind der Res­sour­cen­verbrauch und die Einhaltung der planetaren Gren­zen: Keine Be­rück­sichtigung der Emis­sionen durch den Bau (Standardisierte Be­wer­tung). Kei­ne Bewertung der absoluten Emis­sio­nen eines zu­künf­ti­gen Betriebs (v.a. BVWP). Keine Emis­sions­grenzen für das 1,5°C-Ziel, kein Limit für den Flächen­verbrauch. Keine pro­gnostizierte Ver­kehrs­wen­de, kein Wandel von Politik, Wirtschaft und Ge­sell­schaft. Aus diesem Grund liefert die Nutzen-Kos­ten-Analyse über das jeweilige Pro­jekt auch keine brauch­baren Zahlen zur Klima­wirk­samkeit wie z.B.: Wie sieht die CO2-Bilanz über die nächsten 5, 10 oder 20 Jahre aus? D.h. wie lange fallen zusätzliche Emis­sionen an, ab wann wird effek­tiv CO2 eingespart und wie viel? Welche abso­luten Emissionen fallen bei der Nutzung der Autobahn XY im Jahr 2030 noch an? Sind diese mit der 1,5°C-Grenze vereinbar? Wie hoch sind sie im Vergleich zu den Emissionen einer Bahn­strecke… usw. Die ein­zige „Klimazahl“, die bewertet wird, ist eine CO2-Ersparnis aus einer Zukunft, die so gar nicht ein­treten darf (sie­he For­derung 5).

    Wir brauchen ein neues Prüfwerkzeug

    Die Prüfung ignoriert völlig, dass wir uns aufgrund der Flächenbeanspruchung unserer Zivilisation bereits heute in einem existentiell bedrohlichen Massen­ster­ben unserer Biosphäre befinden. Und dass wir in we­ni­ger als 10 Jahren soviel CO2 in die Atmosphäre emit­tiert haben werden, dass sich diese in eine wo­möglich selbstverstärkende und für den Menschen unkon­trollier­bare Hitzefalle verwandeln wird. Dadurch, dass Naturverluste in Wirtschaftlichkeitsprüfungen seit Jahrzehnten kaum eine Rolle spielen, droht uns dem­nächst ein Totalverlust, nämlich der unserer Lebens­grundlagen. Diese Art zu wirtschaften bringt uns um. Sie muss ein Ende finden.

    Wir brauchen so schnell wie möglich neue Maximen in der Verkehrspolitik und ein entsprechendes Prüf­werk­zeug. Ressourceneffizienz und die 1,5°C-Grenze müs­sen hier eine prioritäre Rolle spielen. Dem Auto­bahn­ausbau darf nicht länger ein höherer Nutzen-Kosten-Faktor und sogar ein höherer Nutzen für das Klima (hö­he­re absolute CO2-Einsparung durch höhere Nut­zer­zahlen) zugeschrieben werden, als dem Bau einer Straßenbahn!

  9. Wir fordern: Kündigen Sie alle Geschäfts­ver­bin­dungen mit der Intraplan Consult GmbH (ITP) zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Die von ITP er­stell­ten Prognosen und Gutachten gefährden unsere Lebens­grundlagen und dürfen daher für die StUB-Planungen nicht mehr berücksichtigt wer­den. Erteilen Sie keine Aufträge mehr an die­ses Büro, solange die Standardisierte Bewertung nicht so reformiert wurde, dass das Arten­sterben und die 1,5°C-Grenze in ehrlicher und konse­quen­ter Weise berücksichtigt werden. Ebenso müssen alle Formen der Diskontierung beendet werden, welche das Wohlergehen kommender Genera­tio­nen gefährden. Begründen Sie die genannten Schrit­te mit den Verpflich­tun­gen, die der Stadt Er­lan­gen durch den Klima­not­stand entstehen. Die­ser muss als Auftrag ge­sehen werden, auch über die Stadtpolitik hin­aus Zeichen für einen sub­stan­ziel­len Wandel zu setzen.

    Die Wahrscheinlichkeit, dass die StUB nach mehreren Jahren konkreter Planung eines Tages aufgrund ei­ner öko­logisch inakzeptablen Trassenplanung am Wi­der­stand der Bevölkerung scheitert, ist sehr hoch. Hierfür ganz wesentlich verantwortlich ist die externe Be­ratung durch die Gutachterfirma Intraplan Consult GmbH (ITP). Diese erstellt für die StUB alle Nutzen-Kosten-Analysen (NKA). Dadurch, dass die Ergeb­nisse nur knapp wirtschaftliche Werte erreichen, dik­tiert die NKA in Erlangen auch den Trassenverlauf.

    Gleichzeitig spielt Intraplan in der deutschen Ver­kehrs­politik und -wirtschaft eine Schlüsselrolle: Sie hat die Standardisierte Bewertung mit der NKA erfunden und ent­wickelt sie in Zusammenarbeit mit der Bundespolitik auch laufend weiter. Leider spricht sie sich jedoch in der Bun­desverkehrspolitik ganz klar gegen eine grund­legende ökologische Reform der Standardi­sierten Be­wertung aus mit dem Argument, Umweltbelange seien be­reits ausreichend eingepflegt. Dem ist natür­lich scharf zu widersprechen, denn sonst hätte Erlan­gen seit min­destens 20 Jahren eine Stra­ßen­bahn, die Au­rach­talbahn wäre längst reaktiviert und der absolut kontra­produktive Autobahnausbau im Erlanger Um­land fän­de nicht mehr statt.

    Wachstumsprognosen ohne Grenzen

    Auf ihrer Homepage schreibt die Firma Intraplan über den Straßenverkehr: „Die Straße ist und bleibt der Ver­kehrsträger Nr. 1. […] An dieser Situation wird sich auch in absehbarer Zeit nichts ändern. […] Die Ent­wick­lung des Straßennetzes erfordert damit eine be­son­ders sorgfältige Planung, damit es auch zukünftig seine Funktion als Rückgrat der Verkehrs­infrastruktur erfüllen kann.“ Zum Flugverkehr: „Der Luft­verkehr ist der Verkehrszweig mit der größten Wachs­tums­dyna­mik. […] Und ein Ende des Wachs­tums ist nicht abzu­sehen. Um weiterhin den Infra­struk­turbedarf befrie­di­gen zu können, sind große In­vestitionen erfor­der­lich.“ Den ÖPNV benennt das Unter­nehmen als seine Kern­kompetenz. Hier geht es aufgrund der knappen öffent­li­chen Kassen eher um Aus­lastung, Effizienz und Grenz­kosten. Zu den Aus­bau­maßnahmen im ÖPNV heißt es: „Nur dann, wenn die langfristige Finanzier­bar­keit [...] gesichert ist, ist deren Realisierung zu ver­antworten.“ Das ist natürlich richtig. Keine Kommune sollte an ihrer Infrastruktur pleite gehen. Andererseits wäre eine ähnliche, an unseren Lebensgrundlagen orien­tierte Aussage zum Flug- und Straßenverkehr schon seit Jahrzehnten min­destens genauso wichtig: Nur dann, wenn der Bau und die dauerhafte Nutzung der Infrastruktur mit den pla­ne­taren Grenzen ver­ein­bar ist, ist deren Reali­sie­rung zu verantworten!

    Doch Artensterben und Klimakrise halten Intraplan nicht auf. Die Prognosen im BVWP 2030 (ITP „feder­führend verantwortlich“) geben die Steigerungen im Verkehr bis 2030 vor und untermauern damit auch die Notwendigkeiten für den weiteren Ausbau der Infra­struk­tur: Pkw-Dichte und MIV*-Leistung +10%, Bahn­ver­kehr +19%, Bus und Straßenbahn +6%, Flugver­kehr +65%, Radverkehr +8% (im Modalsplit** sogar ne­gativ), Fußverkehr -8%, Güterverkehr +38% (An­tei­le Straße/Schiene etwa gleichbleibend!).

    * Motorisierter Individualverkehr
    ** Verhältnis der Verkehrsmittel zueinander

    Gutachten gegen den Klimaschutz

    Diese Wachstumsprognosen des BVWP werden dann - auch von Intraplan selbst - in die Gutachten für die Ver­kehrswirtschaft eingearbeitet und treiben so den Ausbau der entsprechenden Strukturen voran. Z.B. Flughäfen: 3. Startbahn München, 3. Terminal Frank­furt, Ausbau Köln/Bonn, Vergrößerung BER noch während der Bauphase, Ausbau Zürich, Regional­flug­häfen Kassel-Calden und im Rhein-Neckar-Drei­eck. Besonders entlarvend ist der Fall Wien-Schwechat: Hier untersagte das österreichische Bundesverwal­tungs­gericht 2017 den Bau einer 3. Startbahn mit ei­ner ausführlichst begründeten Entscheidung: Für das All­gemeinwohl sei der Schutz vor dem Klima­wan­del hö­her zu werten, als standortpolitische Vorteile der Flug­hafenregion. Intraplan jedoch unterstützte den Flug­hafenbetreiber im anschließenden Ringen um die Startbahn gutachterlich weiter, sodass dieses weg­wei­sende Urteil vom Verwaltungsgerichtshof 2019 wieder gekippt wurde. Darüber „freute“ sich Intraplan in aller Öffentlichkeit. Damit untergräbt das Unternehmen die Mög­lichkeit, Kli­ma­schutz gerichtlich durch­zu­set­zen.

    Abschreibung der kommenden Generationen

    Auch für die Entwicklung im Straßennetz ist Intraplan mitverantwortlich, indem es z.B. der Autolobby Gut­achten mit entsprechenden Wachstumsprognosen lie­fert, die dann mit einem drohenden Verkehrskollaps Stim­mung machen kann. Da die NKA über den BVWP auch im Straßenausbau eine Lenkungswirkung hat, könnte die­ses Werkzeug in einer ökologisch re­for­mier­ten Form die Ausbauwut bremsen. Aber unter der Be­tei­li­gung von Intraplan wird die NKA in ganz an­de­rer Weise weiterentwickelt: Im Rahmen der Über­ar­bei­tung von 2016 hat eine entsprechende Arbeitsgruppe (ITP, Planco, TU Berlin) in die NKA einen - zumindest für alle Freunde der Generationengerechtigkeit - ethisch völlig inak­zep­tablen Zinsfaktor eingeführt: die „reine Zeit­prä­ferenz“ (Prinzip: „heute ist uns wichtiger als mor­gen“). Um Geldwerte aus verschiedenen Jah­ren mit­einander verrechnen zu können, ist es aus meh­reren, auch schon fragwürdigen Gründen üblich, die Nutzen- und Kosten-Beträge der Zukunft weniger zu ge­wichten als die heutigen (Diskon­tierung). Da es bei Ver­kehrs­pro­jekten immer auch um monetari­sierbare Umwelt­schä­den geht, werden auch die in der Zukunft liegenden Umweltschäden weniger stark ge­wichtet. Der Diskon­tie­rungssatz wurde 2016 - wohl vor allem aufgrund all­ge­mein gefallener Zinsen - deut­lich abge­senkt von 3% auf 1,5% jährlich. Unter erstmaliger Anwendung der „reinen Zeitpräferenz“ wur­de der Zinssatz aber wie­der um 0,2% auf 1,7% erhöht mit der Be­grün­dung, die Mensch­heit könne mit einer gewissen Wahr­schein­lich­keit untergehen (rund 10% in 100 Jah­ren). In diesem Fall hätte ja dann keiner einen Nutzen oder Scha­den. Die ent­spre­chen­den Geldwerte sollten da­her nicht zu sehr ins Gewicht fallen. Damit werden in der Förder­politik der deutschen Bundesregierung seit 2016 Welt­unter­gangs­szenarien konkret mit einbe­rech­net. Leider aber nicht mit dem Ziel, die kommenden Ge­nera­tio­nen für schwierige Zeiten zu stärken, son­dern ganz im Ge­gen­teil, um deren Verhältnisse nicht zu sehr zu ge­wich­ten, damit das heutige Wachstum nicht ge­schwächt wird. Das heißt umgekehrt: Jedes Verkehrs­projekt, das für das GVFG oder den BVWP mit der NKA geprüft wird, bür­det den kom­menden Ge­ne­ra­tio­nen unver­hältnis­mäßi­ge Las­ten auf, sollten die ein­kal­ku­lierten Untergangs­szena­rien doch nicht ein­tre­ten. Unsere Bürgerinitiative geht da­von aus, dass auch für die StUB der be­schrie­bene Dis­kon­tie­rungs­satz von 1,7%, eventuell nicht in der NKA selber, aber zu­mindest für die Folgekosten­rech­nung angewandt wird.

    Ökologisch unsinnige Bahnprojekte

    Leider gehört mit Stuttgart 21 auch die deutsch­land­weit wohl am meisten umstrittene Gleisbau­stelle zu den von Intraplan begleiteten Projekten. Und auch für ein Gutachten zur 2. Stammstrecke in München erntet Intraplan heftige Kritik. Beide Tunnel­projekte gelten als zu teuer und als verkehrstechnisch und ökologisch unsinnig. Noch teurer und unsinniger wird vielleicht einmal die Fehmarnbeltquerung mit einem auf dem Meeresboden liegenden Tunnel.

    Aber auch ein kleineres Projekt kann über das Ziel hinausschießen: Der Stadt Erlangen versucht Intra­plan nun also zu Zeiten von FridaysForFuture und Extinction Rebellion eine 1,6 km lange neue Beton­trasse als ökologisch wertvolles ÖPNV-Projekt bzw. sogar als die klimafreundlichste Variante der StUB zu verkaufen. Der Zweckverband bekam dadurch die undankbare Aufgabe, dieses paradoxe Ergebnis der Öffentlichkeit zu vermitteln und hatte diesbezüglich mit einer aufwendigen und als vorbildlich ange­sehe­nen Bürgerbeteiligung durchaus Erfolg. Leider ist in Erlangen die Diskussion um die Streckenführung da­bei zu einem Tabu-Thema verkommen. Und es ist ein vor sich hin schwelender Konflikt bis tief in die Um­weltverbände hinein ent­standen, der das Projekt in allen weiteren Planungs­phasen zu Fall bringen kann. Dabei ist zu beachten, dass jede weitere Ver­schär­fung der Klimakrise der Erkenntnis in die Hände spie­len wird, dass eine überdimensionierte neue Beton­trasse heute ökologisch nicht mehr zu vertreten ist, erst recht nicht, wenn es auch andere Möglich­kei­ten gibt. Mit jedem späteren Stopp der StUB verlieren wir wertvolle Zeit, Gelder und personelle Ressourcen.

    Einfluss der Gutachter und Berater

    Die wachstumsorientierten Gutachten der Firma Intra­plan haben einen extrem breit gestreuten Einfluss auf die gesamte deutsche Verkehrspolitik und -wirt­schaft und damit auch auf den Ausbau der Infra­struktur. Auf ihrer Homepage listet Intraplan über 300 Kunden auf: Städte und Gemeinden, Landesregierungen, Bundes­ämter und -ministe­ri­en, Verkehrs­ver­bün­de, die Deut­sche Bahn, Flughäfen, Fluggesell­schaf­ten, Lobby­ver­bände, private Infrastruktur­betrei­ber und Investment­gesellschaften, Wirtschafts­unter­nehmen und Institute, Hochschulen, Verbände und Ve­reine. Eine bundes­weite, ökologisch sinnvolle Verkehrswende kann nur gelingen, wenn die Gut­ach­ter- und Beraterfirmen von der Maxime unendlichen Wachstums ablassen. Dies ist vermutlich nur zu er­reichen durch sinkende Ein­nahmen, öffent­lichen Druck und natürlich politi­sche Ent­scheidungen! Die Antwort auf die uns ange­prie­sene Vorzugstrasse muss daher sein: StUB ja, aber nicht so!

  10. Wir fordern den Erlanger Stadtrat auf, die drin­gende Notwendigkeit eines Paradigmen­wechsels in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu erkennen und die dafür erforderlichen Ver­änderungen klar zu benennen. Die Ausrufung des Klima­notstands darf kein Symbol bleiben!

    Die Annahme, dass die Wöhrmühltrasse die klima­freund­lichste Streckenführung sei, begründet Intraplan mit deren Attraktivität für den Nutzer. Ein Zeitgewinn werde mehr Menschen zum Umstieg auf den ÖPNV motivieren. Dadurch werde diese Trasse mehr Klima­gase einsparen. Dieses Argument ist in der aktuellen Debatte zur Verkehrswende allgegenwärtig: Um von den Menschen angenommen zu werden, müsse das neue Verkehrsmittel einen Vorteil aufweisen: schnel­ler, bequemer, bessere Verfügbarkeit etc. Das mag aktuell so sein. Es ist auch das Hauptargument für die StUB generell: Eine Straßenbahn ist bequemer als der Bus. Sie wird daher besser angenommen („Schie­nenbonus“).

    Die Verkehrswende, die wir brauchen

    Aber dieses Argument hat einen ganz entscheidenden Haken. Die Verkehrswende, die für die 1,5°C-Grenze notwendig ist, wird mit Attraktivität alleine niemals zu erreichen sein. Die StUB mit der Vorzugstrasse würde nach dem Konzept von Intraplan erst in 10 Jahren gerade mal 2% des Verkehrs auf die Schiene ver­lagern und in mehr als 20 Jahren nicht einmal 2% der Emissionen sparen. D.h. die restlichen 98% des Ver­kehrs und der Emissionen wären immer noch da. Zur Lösung der Klima­krise kann die StUB also keinen wirk­lich entscheidenden Beitrag leisten. Viel schwe­rer wiegt die Frage: Was machen die restlichen 98% der Verkehrsteilnehmer?

    Wir werden es vermutlich nicht schaffen, in den näch­s­ten 10 Jahren ein Straßenbahnnetz aufzubauen, das die ge­sam­te Stadt und ihr Umland abdeckt. Auch der Ersatz aller fossil betriebenen Pkw durch Elektroautos ist überhaupt keine Lösung. In anderen Bereichen ist das Problem noch viel eindeutiger: Der Luftverkehr darf auf keinen Fall mit den aktuellen Fluggastzahlen fortgeführt wer­den und diese dürfen erst recht nicht steigen. Emis­sionsfreie und gleichzeitig ähnlich leis­tungs­fähige Flugzeuge wie heute wird es in den nächs­ten 10 Jah­ren nicht geben. Auch die Wirtschaft wird die jetzigen Warenmengen in 10 Jahren nicht vollständig emis­sions­frei produzieren können. D.h. Technik alleine wird das Problem nicht lösen. Wenn wir die Emissionen wirksam reduzieren wollen, dann müssen die Menschen Bus fahren, Fahrrad fahren, laufen, Fahrten vermeiden (z.B. auch durch Fahr­ge­meinschaften, Homeoffice etc.), weniger fliegen, we­niger konsumieren, weniger Fleisch essen.... ABER: es ist sehr wahrscheinlich, dass sie dies im Verlauf immer weniger müssen, als vielmehr zunehmend wollen. Von sich aus. Warum? Was wird die Klima­krise mit uns machen?

    Paradigmenwechsel

    Selbst in den günstigsten Szenarien, wird die globale Erwärmung mindestens zwei bis drei Jahrzehnte weiter fortschreiten, der Meeresspiegel sogar für mehrere Jahrhunderte weiter steigen. Die Naturkata­stro­phen werden sich weiter häufen und zunehmend auch bei uns stattfinden. Dadurch wird immer mehr Menschen klar werden, dass es so nicht weitergeht. Dass diese Krise wirklich gefährlich ist. Für alle. Für die Menschen im globalen Süden, für das weitere Leben unserer Kinder und sogar schon für uns selber. Und dass es unseren Kindern einfach nicht zuzu­mu­ten ist, in den nächsten zwei bis drei Jahrzehnten das Absterben unserer Biosphäre mit anzusehen. Und damit bedrohliche Verwerfungen unserer Zivilisation oder sogar deren Ende mitzuerleben. Aus mora­li­schen Aspekten (Verantwortungsbewusstsein, Ge­rech­tig­keitsempfinden, Vorsorgeverpflichtung), aber viel­leicht auch aus Emotionen heraus wie Solidarität, Mitgefühl und Liebe zu den schon heute Betroffenen und zu unseren Kindern werden wir irgendwann um­denken. Es wird immer mehr Mode werden, An­er­ken­nung bringen und letztlich auch Ge­nug­tuung bedeu­ten, eben nicht mehr zum Schaden oder Elend der Mit­men­schen bei­zu­tragen, sondern verant­wor­tungs­voll zu han­deln. Wie heute in den meisten Teilen der west­lichen Welt Sklavenhaltung, Apartheid, Ungleich­stel­lung der Ge­schle­chter, Kinder züchtigen usw. in der Gesellschaft nicht mehr tragfähig sind, so wird auch das Ver­ursachen von Treibhausgasen immer mehr verpönt sein. Und damit wer­den sich nicht nur der eigene Lebensstil, sondern auch politische und wirtschaftliche Entscheidungen ver­ändern.

    Dieser Prozess eines Paradigmenwechsels hat längst begonnen. Die Fridays-For-Future-Bewegung hat er­reicht, dass die deutsche Politik, wenn auch ein völlig ungenügendes, aber zumindest überhaupt ein Klima­schutzgesetz beschlossen hat. In der Wirtschaft wer­den Geschäfte mit der Kohleindustrie zu einem Image-Problem. Und auch im Privatleben muss man sich zunehmend für Flugurlaube, ein unnötig großes Auto oder überbordenen Konsum rechtfertigen. Oder man erhält Anerkennung für eine Lebensweise ohne Fleisch­verzehr oder ohne ein eigenes Auto. Auch in diesem Prozess kann es zu Kipp- bzw. Massen­effekten kommen. Die Frage ist weniger ob, sondern wann diese Effekte eintreten. Sobald aber eine kriti­sche Menge an Handlungswilligen erreicht ist, wird auch die Politik Gesetze verabschieden können, die dafür sorgen, dass sich diesen Veränderungen nie­mand mehr entziehen kann.

    Selbsterfüllende Prophezeiungen

    Wenn aber immer mehr Menschen aktiv zum Klima­schutz beitragen wollen, dann hätte dies auch großen Einfluss auf unsere Mobilität. Im Fall der StUB könnte es zum Beispiel dazu führen, dass die Menschen nicht mehr nur aus einem Umkreis von 300 m zu einer Haltestelle laufen, sondern aus 500 oder 1000 m. Oder hierfür mit dem Fahrrad nicht nur 1 km sondern auch 2 oder 3 km fahren. Oder dass sie für den täg­li­chen Arbeitsweg statt 20 min auch 40 min Stra­ßen­bahn­fahrt in Kauf nehmen. Oder dass sie eben nicht nur die StUB, sondern auch den Bus als alltägliches Ver­kehrsmittel annehmen.

    Würde die Standardisierte Bewertung dies alles be­rück­sichtigen, dann käme sie zu völlig anderen Er­geb­nissen: Die StUB wäre auf fast allen Strecken rappel­voll und damit auch rentabel. Und genau darin liegt das näch­ste Pro­blem: Die Gutachter und deren Pro­gram­me ignorieren erstens nicht nur die planetaren Grenzen und machen dadurch Pro­gnosen für eine Zukunft, die es schlicht nicht geben darf. Sie sehen zweitens auch den gesell­schaft­lichen Wandel nicht kom­men. Dadurch setzen sie ihre fal­schen Annahmen (ei­nes immer weiter steigenden Mo­bi­li­täts­be­dürf­nisses mit geringer Bereitschaft zum Umstieg auf den ÖPNV) fort und bauen wei­ter Flughäfen, Stra­ßen und schnel­lere Schienen­ver­kehrsachsen, welche dann tat­säch­lich wieder neue Mobilitätsbedürfnisse (zusätz­li­che Fahrten, längere Pen­delstrecken, entferntere Ur­lau­be) er­zeugen. Die Pro­phezeiungen der Verkehrs­gut­achter sind also größ­tenteils selbsterfüllend. Und eine effek­tive Ver­kehrs­wende wird dadurch immer schwieriger.

    Wir entscheiden, wie die Zukunft aussieht

    Entsprechendes gilt natürlich auch für die Politik: Wenn die Politik mehr Autoverkehr erwartet, wird sie Straßen bauen lassen und mehr Verkehr ernten. Wenn sie glaubt, dass die Standardisierte Bewertung nicht geändert wird, wird sie dies auch nicht ernsthaft in Angriff nehmen und dann wird sich auch nichts ändern. Und wenn die Politiker die Notwendigkeit eines Paradigmenwechsels nicht erkennen, diesen nicht kommen sehen oder auch nicht von ihm spre­chen, dann wird er auch so schnell nicht kom­men. Wir brauchen also unbedingt Politiker, die an die funda­mentalen Veränderungen glauben, die wir jetzt so drin­gend brauchen! Die gutachterlichen Prognosen zum Verkehr sind keine Naturgesetze! Wie die Zu­kunft aussehen wird, beeinflussen wir haupt­sächlich durch unsere jetzigen Entscheidungen.

    Es ist nicht weiter die Aufgabe der Zukunftsaktivisten, die Katastrophenszenarien der Klimawissenschaften an die Öffentlichkeit zu bringen, Klimagerechtigkeit ein­zufordern, Lösungswege zu er­ar­beiten und nach­haltige Lebens­stile vorzuleben. Es ist die Aufgabe der Politik! Die Men­schen müssen endlich von offizieller Seite darüber informiert werden, dass die Mithilfe aller gefragt ist, wenn wir die Erde so er­halten wollen, dass sie der menschlichen Zivilisation auch in Zukunft noch eine gute Lebensgrundlage bieten kann.

    Artensterben, Klimanotstand und die StUB

    In der Öffentlichkeit wird der Ausrufung des Klima­not­stands häufig eine vor allem symbolische Wirkung zu­ge­schrieben. Dies bedeutet jedoch eine drama­ti­sche Verkennung des Problems. Damit die Bürger Arten­sterben und Klimakrise (und im Zusammenhang damit dann auch die StUB) beurteilen können, muss ihnen die Stadt unter anderem folgendes mitteilen:

    Das Artensterben gilt im Konzept der planetaren Gren­zen als mindestens so gefährlich wie die Klima­krise. Kompromisse zu Lasten des Arten­ster­bens sind daher keine Lösung. Neue Verkehrsachsen sind kon­tra­produktiv. Schutzgebiete müssen nicht nur er­hal­ten, sondern erweitert werden.

    Die Klimakrise ist ein zeitversetztes, aber demnächst fatales Problem. Die EU schreibt in ihrem aktuellen Risikobericht (frei übersetzt): „Ein Temperaturanstieg von 1,5°C ist das Maximum, was unser Planet aus­hält. […] Darüber hinaus wird es wahrscheinlich, dass die schwächsten Bevölkerungsteile der Welt aus­sterben, schlimmstenfalls die gesamte Mensch­heit.“ Das bedeutet: Das „1,5-Grad-Ziel“ ist weniger als Ziel anzusehen, sondern vielmehr als eine Grenze.

    Weil wir die Klimakrise weltweit nur gemeinsam lösen können, gibt es das Pariser Abkommen, in dem sich die Industrienationen verpflichtet haben, wegen ihrer Verantwortlichkeit, ihres Reichtums und ihrer tech­nischen Möglichkeiten voranzugehen. Dahinter steht die Erkenntnis, dass weltweiter Klimaschutz nur mit einem Konzept der Klimagerechtigkeit funktionieren kann. Erlangen ist eine reiche Stadt, im reichen Deutsch­land, im reichen Europa. Wer, wenn nicht wir, soll vorangehen?

    Wenn Deutschland Klimagerechtigkeit wenigstens ab heute akzeptieren würde (also ohne die Ungerech­tig­keit der letzten Jahrzehnte zu berücksichtigen), dann hätten wir zur Einhaltung der 1,5°C-Grenze noch etwa die Menge an fossilen Brennstoffen zur Verfügung, die wir aktuell in nur 4 Jahren verbrauchen. Davon müs­sen wir den laufenden Betrieb aufrecht erhalten und gleichzeitig alles so neu denken, verändern und um­bau­en, dass wir danach keine fossilen Brennstoffe mehr benötigen und dennoch das Wichtigste zum Le­ben haben. Dies wäre eine - immer noch kaum aus­rei­chend gerechte - Maßgabe, nach der auch unser Ver­kehrssystem umzubauen wäre. Hierzu kann die StUB, wie sie derzeit geplant ist, nichts beitragen.

    Wenn wir uns nicht auf bestimmte Zeiträume fest­na­geln lassen wollen, dann gäbe es nur noch eine an­dere zulässige Inter­pretation der aktuellen Aus­sagen der Klimawissenschaft: Die Emissionen müssen so schnell sinken, wie irgend möglich. Was das allerdings genau bedeutet, darüber sollten wir unbedingt dis­ku­tie­ren, v. a. auch mit der jungen Generation.

    Ob die Klimakrise zu einer Klimakatastrophe wird, ent­scheidet sich also in diesen Jahren. Viele von uns hät­ten gerne mehr Zeit, damit die notwen­di­gen Verän­de­run­gen halbwegs geregelt umgesetzt werden kön­nen. Aber ge­nau dafür muss die unnötige Ver­schwen­dung von Energie und Ressourcen in allen Bereichen auf­hören. Dadurch würden die Emissionen sofort sinken und genau das brächte uns Zeit. Die jetzt als neue Verkehrsachse mit vielen Betonbauwerken geplante StUB hat mit einer im Klimanotstand ange­brach­ten spar­samen Verwendung von fossilen Ressourcen nichts zu tun.

    Das Einsparpotential der westlichen Welt ist sehr groß, auch ohne dass unsere existentiellen Be­dürf­nis­se ernsthaft angetastet werden müssten. Die meisten Einsparmöglichkeiten gehen mit einem Gewinn an Le­bens­qualität einher, wobei die Verteilungs­ge­rech­tigkeit eine äußerst wichtige Rolle spielt.

    Die Politik muss aufhören, die Tatsachen des Arten­sterbens und der Klima­krise zu verdrängen. Und sie muss klar formulieren: Der mit konkreten Forderungen verbundene Erlanger Klimanotstand ist kein Symbol! Er ist ein Hilferuf der jungen Generation. Und ein Ap­pell an die Politik, an die Wirtschaft und jeden ein­zel­nen, sich endlich auf den Weg zu machen.